Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert
ihres eigenen, von Christus ihnen anvertrauten Amtes wieder walten können«. 73
Des Kaisers Kampf für Karl (den Kahlen) und gegen die Enkel oder Für »Ordnung« und wider die »Pest«
Ludwigs Vertrauen freilich in die Kirchenführer mochte inzwischen etwas angeschlagen sein. Jedenfalls blieb er taub gegenüber Mahnungen und Bitten; beiseite einmal, daß Pippin immerhin das eingezogene Kirchengut zurückzugeben hatte. Doch noch die vordem mit Benedikt von Aniane so intensiv betriebene Klosterreform kümmerte den Herrscher kaum. Vielmehr duldete er jetzt das stets mehr einreißende Wohlleben in den Orden, etwa in St-Germain-des-Prés oder in St-Denis. Abt und Mönche teilten sich hier die Einkünfte, ja, die Mönche entzogen ihre Dotationen auch dem Zugriff des Abtes, der sie weder kürzen noch Leistungen daraus fordern noch den Konvent vergrößern durfte, ohne auch dessen Einnahmen entsprechend zu vergrößern – alles durch kaiserliche Urkunden förmlich verbrieft. (Um die Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert gibt die Abtei St-Denis von 33000 Pariser Pfund Jahreseinnahmen – nicht, wie durch mehr als ein Jahrtausend, bis ins 17. Jahrhundert, von der Kirche gefordert, vgl. III 466 ff. bes. 473!, ein Viertel, sondern – weniger als 1000 Pfund, drei Prozent des Budgets, für die Armenhilfe aus. Dies genügte den Asketen allerdings, an Feiertagen und zur Fastenzeit »spektakuläre Verteilungen zu veranstalten«: Geremek.)
Nur die junge Gattin und die Ausstattung des gemeinsamen Sohnes schien den alternden Monarchen wirklich zu bewegen. 74
Die neue Teilung auf dem Reichstag 837 in Aachen zugunsten Karls (des Kahlen), dem Kaiser Ludwig »auf dringendes Bitten der Kaiserin« (Astronomus) ein beträchtliches Gebiet und überdies den besten Teil des Reiches verlieh, nämlich alles Land zwischen Friesland, der Maas und weit nach Burgund hin, das bald noch um Aquitanien erweitert werden sollte, auch die neue Teilung führte schließlich zu einem neuerlichen Zerwürfnis und zum Aufstand Ludwigs des Deutschen. Er fühlte sich, nicht zu Unrecht, benachteiligt, da ihm der Vater im Sommer 838 auf dem Reichstag in Nymwegen alle außerbayerischen Regionen wieder entzog, die ihm nach der Verhaftung des Kaisers auf dem »Lügenfeld« und der Reichsteilung zugefallen und, aus Dankbarkeit des Herrschers für seine Befreiung, bisher auch belassen worden waren: Alemannien, Elsaß, Ostfranken, Sachsen, Thüringen.
Aufgestachelt hatten den Monarchen einige persönliche Gegner des Bayern – darunter vermutlich Erzbischof Otgar von Mainz, des Kaisers einstiger Kerkermeister, der sich wieder in allerhöchste Gunst zu schmeicheln wußte. So galten diese Länder nun als »angemaßt«. Es kam »zu einem ziemlich heftigen Streit zwischen den beiden und Ludwig mußte dem Vater alles zurückgeben« (Annales Bertiniani), worauf es denn hieß, der Bayernkönig wolle wieder »die ganze Reichshälfte jenseits des Rheins an sich reißen« (Nithardi historiarum).
Auf dem Reichstag zu Quierzy im September 838 setzte der Kaiser dem gerade fünfzehn-, doch somit volljährigen Karl eine Krone auf, was sehr ungewöhnlich und keinem seiner Stiefbrüder beim Herrschaftsantritt widerfahren war. Und Pippin von Aquitanien, seit Jahren ein treuer Parteigänger des Vaters, trat jetzt auch noch auf Karls Seite als »Bundesgenosse«. Karl erhielt weitere Gebietszuweisungen, sein Besitz wuchs und wuchs. Es kam zu einem Aufmarsch des Bayernkönigs bei Mainz – »hier der fromme Vater, dort der ungeratene Sohn«. Als aber die Ostfranken, Thüringer und Alemannen, die Ludwig der Deutsche zunächst gewonnen hatte, von ihm abfielen, alle ostfränkischen Stämme, außer den Bayern, ihn verließen, floh er nach Bayern zurück.
Inzwischen war im Spätherbst 838 Pippin I., der König von Aquitanien, gestorben. Er hatte sich in seinen Urkunden »rex Aquitanorum« genannt, war schon 814 durch den Vater zum Unterkönig gemacht, 832 zwar abgesetzt, infolge einer Aussöhnung jedoch erneut mit der aquitanischen Herrschaft betraut worden, freilich ohne weitergehende Hoffnungen verwirklichen zu können. Nach seinem Tod mißachtete Ludwig der Fromme, offensichtlich gedrängt von der nur auf den Machtzuwachs ihres Sohnes bedachten Gattin, das Nachfolgerecht seiner beiden Enkel Pippin und Karl, der Pippinsöhne, deren ältester, Pippin II., gerade volljährig geworden war. Er gab Aquitanien 839 dem eigenen Sohn Karl, der dort zunächst allerdings schwer Fuß fassen konnte.
Das
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