Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert
Nahrung dahinzusiechen. Nachdem er über den Königshof Salz an der fränkischen Saale zu Schiff auf dem Main nach Frankfurt gekommen war, starb Ludwig I. zweiundsechzigjährig am Sonntag, den 20. Juni 840, in einer »zeltartigen Sommerwohnung« auf einer kleinen Rheininsel unterhalb von Mainz. Sie lag gegenüber Ingelheim, jener karolingischen Prachtpfalz, in der einst sein Vater dem bayerischen Herzog Tassilo und dessen Familie den berüchtigten Prozeß gemacht (IV 481 ff.) und die dann, durch Karl IV. in ein Kloster umgewandelt, schließlich im Bauernkrieg wie im Dreißigjährigen Krieg ruiniert worden ist.
Der Kaiser starb kurz nachdem er – gerade zu Beginn der sonst so festlich von ihm begangenen (mitunter aber gar nicht gehaltenen) »heiligen Fasten« – die Kriegsvorbereitungen gegen seinen Sohn Ludwig getroffen, dessen letzten Aufstand er dann auch niedergeschlagen und dem er noch erklärt hatte, daß er »eingedenk bleiben möge, wie er seines Vaters graue Haare mit Herzeleid in die Grube gebracht und Gottes und unser aller Vater Gebote und Drohungen verachtet hat«.
37 Jahre war Ludwig König von Aquitanien, 27 Jahre Kaiser gewesen. Seine Nächsten, seine Frau Judith, sein Sohn Karl, weilten weit von ihm in Aquitanien. Doch mehrere Prälaten, darunter auch sein einstiger Kerkermeister Otgar von Mainz und viele Priester, umstanden sein Sterbelager, auf dem er sich, solang er es vermochte, selbst über Stirn und Brust das Kreuzzeichen machte. Auch hatte er vorsorglich einen (vermeintlichen) Splitter vom Kreuz Christi sich auf die Brust legen lassen. Und »vierzig Tage«, behauptet der Astronom, der selbst aber nicht zugegen gewesen, »war der Leib des Herrn seine einzige Speise: und er lobte deswegen die Gerechtigkeit des Herrn, indem er sagte: ›Du bist gerecht, o Herr, daß du mich, da ich es in der Fastenzeit unterlassen habe, jetzt nötigst diese Fastenpflicht zu erfüllen.‹«
Noch kurz bevor der Herrscher hinging rief er »wie im Zorn mit aller Kraft zweimal: Hutz, hutz! das heißt: Hinaus! Es ergibt sich daraus, daß er einen bösen Geist sah, dessen Gesellschaft er weder im Leben noch im Tode dulden wollte. Dann richtete er seine Augen gen Himmel, und je finsterer er dorthin geblickt hatte, desto heiterer schaute er hierhin, so daß er geradezu zu lächeln schien. So erreichte er das Ende des irdischen Lebens und ging, wie wir glauben, glücklich zur Ruhe ein, denn wahr ist gesagt vom wahren Lehrer: ›Es kann nicht übel sterben, der gut gelebt hat‹« (Anonymi vita Hludowici).
Ludwigs des Frommen Leiche wurde nach Metz überführt, dort in der alten Grabstätte der Karolinger von seinem bischöflichen Halbbruder Drogo neben seiner Mutter Hildegard – doch in Abwesenheit aller Söhne – »ehrenvoll« beigesetzt und zur Zeit der französischen Revolution aus dem Sarg geworfen. 76
Fränkisches und Kosmisches
Der blutige, das ganze Frankenreich jahraus, jahrein in Mitleidenschaft ziehende Familienzwist wurde natürlich (oder richtiger übernatürlich) durch wunderbare Zeichen des Himmels und der Erde begleitet, schlimme Signale meist mit furchtbaren Folgen, von den Jahrbüchern, besonders den Xantener, aufmerksam registriert.
Zum Beispiel Erdstöße »in tiefer Nacht«, Mond-und Sonnenfinsternisse, gewaltige Unwetter. Als Kaiser Ludwig in Lothars Gewalt gerät, übersteigt der Wasserstand der Flüsse jedes Maß, und die Windstöße machen sie unbefahrbar. »Bei seiner Freisprechung aber zeigten sich die Elemente so verschworen, daß bald die Wut der Winde sich legte und des Himmels Antlitz in der frühern, seit längerer Zeit nicht gesehenen Heiterkeit erschien.«
Immer wieder Kometen: »ein furchtbarer Komet im Sternbild des Skorpion«; »bald darauf der Tod Pippins«. Oder: »ein Komet im Sternbild der Jungfrau«. Er »durchschritt in fünfundzwanzig Tagen, was wunderbar zu berichten, die Zeichen des Löwen, des Krebses und der Zwillinge und legte endlich am Kopf des Stieres unter den Füßen des Fuhrmanns den feurigen Leib mit dem langen Schweif nieder« – drei Jahre danach: der Tod des Kaisers.
Die »Kirche der heiligen Gottesmutter Maria«, schon erwähnt (S. 70), wird größtenteils abgedeckt, doch die kleine Kirche »zu Ehren des heiligen Märtyrers Georg« steht unzerstört inmitten einer Feuersbrunst – »ein staunenswertes Wunder«. Und just als fast ganz Gallien ein starkes Erdbeben traf, »wurde der berühmte Angilbert zu Centulum feierlich erhoben, und man fand ihn,
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