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Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Descher
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neunundzwanzig Jahre nach seinem Tode, ohne daß er einbalsamiert worden wäre, in völlig unversehrtem Zustande«. Auch staunenswert, fürwahr. Aber schließlich war Angilbert stets gut beisammen (oder »drauf«) und hatte als Hofkapellan und Abt von Saint-Riquier der fünfzehn- und der zwanzigjährigen Karls-Tochter Berta in wilder Ehe zwei Söhne gemacht (IV 499); einer davon der Geschichtsschreiber Nithard, der uns eben das grandiose Mirakel berichtet (in seinen – im Auftrag Karls des Kahlen verfaßten – »Historien«; zwar sehr parteiisch, doch wichtigste Quelle über die Brüderkämpfe). 77
    Fast mehr, überspitzt gesagt, eine Natur- als Staats- oder Landesgeschichte produziert partienweise der Kleriker Gerward, Pfalzbibliothekar Ludwig des Frommen, in den Annales Xantenses.
    Nach Mondfinsternissen 831, 832: Empörung Ludwigs gegen den Vater. 834 stürmen im Norden »die Gewässer weit über das Land« – und »die Heiden in das hochberühmte Wyk bei Durstede«. Mondfinsternis 835: erneut »Heiden in ... Friesland ... Und sie plünderten abermals Durstede«. Februar 836: »bei Beginn der Nacht wunderbare Lichter«, und wieder fallen »die Heiden über die Christen her«. 837 gewaltige Wirbelwinde, ein Komet »mit einem großen Schweif im Osten ...: und die Heiden verwüsteten Walcheren und führten viele Weiber von dort gefangen fort samt unermeßlichem Vermögen verschiedener Art«.
    Im nächsten Jahr »Donner«, »Sonnenhitze«, »Erdbeben«, »Feuer in der Form eines Drachen in der Luft«: »eine ketzerische Irrlehre« beginnt. Im Jahr darauf wildester Wirbelwind, meerüberflutete Ufer, Häuser, Höfe, Menschen sinken haufenweise weg und ganze Flotten draußen. Man meint, der Teufel samt allen höllischen Heerscharen müsse erscheinen. Aber: »In diesem Jahr kamen die Leiber der Heiligen Felicissimus und Agapitus und der heiligen Felicitas nach Vreden.« Ist's nicht wunderbar? Dagegen künden Lichtphänomene und eine Sonnenfinsternis anno 840 offenbar des Kaisers Tod an, wahrhaftig bengalische Himmelsbeleuchtungen 841 das Wüten der Christen »mit großem Blutbad gegeneinander«, auch »viel Unverantwortliches« der Stellinga in Sachsen. Und so weiter und so fort. 78
    Den vom Klerus geschürten Familienstreit hatten vor allem Episkopat und Hochadel genutzt. Sie bekamen, zumal in Ludwigs späterer Regierungszeit, ein größeres politisches »Eigengewicht«. Doch auch die äußeren Reichsfeinde profitierten davon, besonders die Normannen.

Die Männer des Nordwinds

    Die Normannen, auch Wikinger, Nordleute genannt, im Mittelalter als »Männer des Nordwinds« gedeutet, waren Skandinavier. Sie suchten vom endenden 8. bis ins 11. Jahrhundert, zunächst noch als Heiden, aus Abenteurer- und Beutelust, aus Mißmut mit den heimischen Verhältnissen, andere Länder heim, in denen sie da und dort, in Friesland, an der Loiremündung und sonstigen Stützpunkten, schließlich auch seßhaft wurden.
    Ihre Taktik, sehr beweglich, als teuflisch verschrien, war voller Listen, besonders beliebt der Blitzangriff. Plötzlich standen ihre Segel am Horizont – und noch bevor eine Küstenwache einschreiten konnte, hatten sie ihre Beute schon weggeschleppt. Auf christlicher Seite stoben übrigens die weltlichen und geistlichen Anführer »oft als erste« davon (Riché). Hinkmar von Reims, der berühmte Erzbischof, hatte zwar den Rückzug von Priestern, »die weder Frau noch Kinder zu unterhalten haben«, verpönt, floh aber selbst 882 vor den Invasoren Hals über Kopf.
    Nicht alle Prälaten waren indes Hasenfüße. Als die Eindringlinge 885 bei der Belagerung von Paris (S. 281 ff.) jeden massakrierten, der sich nicht auf der Ile de Paris in Sicherheit gebracht, während die Franken ihrerseits »den Feind mit kochendem Öl, Wachs und Pech« bedienten, erwies sich auch der Abt von Saint-Germain nicht aus Pappe. Gelang es ihm doch, »mit einem einzigen Pfeilschuß sieben Menschen zu durchbohren« – freilich wohl mehr ein katholischer Wunschtraum –, »und scherzend befahl er, sie in die Küche zu tragen«.
    Die Plünderungen der Normannen begannen 793 mit dem Überfall auf das (von iro-schottischen Mönchen im 7. Jahrhundert gegründete) Kloster der Insel Lindisfarne (später als Holy Island bekannt) vor der nordenglischen Küste von Northumberland, eine anscheinend besonders reiche Abtei. Sie bestand indes fort, erwarb immer weiteren Landbesitz auf dem Festland, wurde aber 850 erneut verlassen. Norwegische Wikinger, wie

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