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Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Descher
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»Kolonisationsarbeit«. Man wollte die Slawen abhängig machen und in Zinspflicht nehmen. Die »Christianisierung« diente mehr oder weniger als Vorwand, als Bemäntelung. »Die milde Arbeit unter dem Banner des Kreuzes sollte des Schwertes blutiges Schaffen veredeln. Die bayerische Kirche war zu diesem hohen Ziele besonders befähigt ...« (Aufhauser).
    Die entscheidende kirchliche Eskalation ging dabei von Regensburg aus, von dessen Königspfalz und Bischofssitz (wo man böhmische Prinzen und Herren als Geiseln hielt) und vom Regensburger Domkloster.
    Bereits vor 833 operiert der fränkische Grenzkommandant (Präfekt) Radbod bis zum Plattensee. 852 konstatiert die Synode von Mainz noch »ein rohes Christentum beim Mährervolk« – doch wo war das Christentum, politisch gesehen, seit Konstantin »dem Großen« nicht roh? In der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts wird die neue Religion schon zu einem »ideologischen Eckpfeiler« (Nový) des großmährischen Staates; was ein anonymer Hagiograph dezent so umschreibt: »Auch das mährische Reich begann immer mehr seine Gebiete zu erweitern und seine Feinde zu besiegen ...« Im beginnenden 10. Jahrhundert gehört ganz Böhmen zur Diözese Regensburg; 973 wird Prag Bischofssitz und dem Erzbistum Mainz unterstellt. Bis ins Hochmittelalter hinein aber wollen viele Slawen von christlichen Priestern nichts wissen. Und noch im 14. Jahrhundert wenden sich Prager Synoden gegen die mannigfaltigsten heidnischen Bräuche.
    Unter Mojmír umschloß das Großmährische Reich Mähren und die Slowakei; doch hat es anscheinend die Oberhoheit des mächtigen Nachbarn anerkannt, wenngleich in den vierziger Jahren die pagane Partei stets von neuem gegen das Christentum ihr Haupt erhob, besonders auch gegen den engen Anschluß an Bayern, wozu man Mähren zeitweise zwang. Überhaupt wurde Ludwig seit 843, seit der Vertrag von Verdun (S. 122 ff.) seine Herrschaft stärkte, im Osten wieder deutlich aktiver.
    Beim Tod Mojmírs rebellierten die Mährer, die Ludwig – der schon 844/846 zumal die Wenden angegriffen, »alle Könige jener Länder durch Gewalt oder in Güte« (Annales Bertiniani) unterjocht und einen Fürsten getötet hatte – immer wieder bekämpfte. Dabei mochte es ihn ermutigen, daß damals aus dem von Mähren bedrängten Böhmen 14 duces in Regensburg erschienen und sich taufen ließen. Jedenfalls marschierte er im August 846 ein, setzte Mojmír ab und übertrug zur Festigung seiner Oberhoheit Mährens Führung Rastislav (846–870), Mojmírs Neffen. Und der, vermutlich Christ geworden, mußte nun deutsche und italienische Missionare aufnehmen.
    So schuf Ludwig »Ordnung«, melden die Annales Fuldenses, und »regelte die Verhältnisse, wie es ihm beliebte ... Von da kehrte er durch Böhmen heim mit großer Schwierigkeit und bedeutendem Verlust seines Heeres.« Das liest sich kurz, klischee-, fast formelhaft – wer sieht da Menschen leibhaftig am Weg krepieren ...?
    Es folgen weitere Züge Ludwigs nach Böhmen, wobei sich erstmals sein zweiter Sohn, Ludwig der Jüngere, hervortut. Ab bove majori discit ... Und bis 850 dauern die Einfälle fort: 848 etwa, als man, da der König krank lag, »nicht wenige Grafen und Äbte« samt ihren »zahlreichen« Truppen losschickte und »mit den Feinden, die sich um Frieden bemühten, Krieg anfing«, indes »schmählich besiegt« worden ist, wie die eigenen Chronisten einräumen. Viele Franken fielen – die »Fuldaer Jahrbücher« sprechen von einem »beständigem Blutbad«. Und die übrigen »zogen sehr gedemütigt in ihr Vaterland heim. Die Heidenschaft aber schädigte vom Norden her nach Gewohnheit die Christenheit und sie wuchs mehr und mehr an Stärke, aber das ausführlicher zu erzählen, würde Überdruß erregen« (Annales Xantenses). 52
    Die Christenheit freilich drangsalierte, wie so häufig, gerade eine schwere Hungersnot. Der einstige Fuldaer Abt, der Mainzer Metropolit Hrabanus Maurus, soll seinerzeit mehr als 300 Arme gespeist haben, behaupten jedenfalls die Fuldaer Annalen und erzählen u.a.: »Es kam auch eine fast verhungerte Frau mit einem kleinen Kind zu ihm und wollte von ihm wieder belebt werden, doch ehe sie die Türschwelle überschritt, stürzte sie vor allzu großer Schwäche zusammen und hauchte den Geist aus. Und als der Knabe die Brust der toten Mutter, als wenn sie noch lebte, aus dem Kleid zog und zu saugen versuchte, brachte er viele, die es mit ansahen, dahin zu seufzen und zu weinen.«
    Dies berichtet der

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