Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert
»brannte er auf Gottes Hilfe vertrauend alle Häuser jener Gegend nieder; was in den Wäldern versteckt oder auf den Feldern vergraben war, fand er mit den Seinigen und raubte es, und verjagte oder tötete alle, die mit ihm zusammenstießen. Ebenso verwüstete Karlmann mit Feuer und Schwert das Reich des Zwentibald, des Neffen des Rastiz; und nach Verwüstung des ganzen Landes kamen die Brüder Karl und Karlmann zusammen mit gegenseitigen Glückwünschen über den vom Himmel verliehenen Sieg.«
Auch der Jüngste aber, Ludwig, hatte inzwischen in zwei Schlachten die Sorben geschlagen, ihre gekauften böhmischen Hilfsvölker teils niedergemacht, teils verjagt, und so kehrte alles mit reicher Beute zurück. Ein glückliches Jahr für die Ostfranken, fürwahr, zumal eben seinerzeit auch Gundacar, ein offenbar besonders treuloser Vasall des (ja auch treulosen) Karlmann, wie gemeldet, gefallen war. So hieß denn nach der erhebenden Botschaft König Ludwig »alle gemeinsam den Herrn loben für den Untergang des vernichteten Feindes, unter dem Geläut aller Kirchenglocken in Regensburg ...« 56
Immerhin konnte Rastislav längere Zeit ostfränkische Angriffe erfolgreich abwehren, da er bereits über mächtige, quellenmäßig und archäologisch nachgewiesene Burgzentren verfügte. Diese Stabilisierung entzog Großmähren indes nicht nur dem fränkischen Reich, sondern auch der fränkischen Reichskirche, deren Bischöfe und Äbte doch häufig selbst an der Spitze ihrer Soldateska im Osten fochten: 857 Bischof Otgar von Eichstätt, 871 Bischof Arn von Würzburg, 872 Bischof Arn von Würzburg, Bischof Liutbert von Mainz und Abt Sigehard von Fulda, 892 wieder Arn von Würzburg.
Freilich war dem Mährer klar, daß militärisches Glück allein ihn auf die Dauer vor dem starken Nachbarn nicht retten konnte, da sein Land ja eben auch in den Fängen der fränkisch-bayerischen Kirche hing. Er erkannte, daß ihm das Abschütteln westlicher Oberhoheit nicht ohne die kirchliche Befreiung gelang. So nutzte er geschickt das geopolitische Kräftespiel im Donauraum und auf dem Balkan, wo neben Ostfranken und dem sehr hegemoniebewußten Byzanz ja auch der gleichfalls aggressive bulgarische Khanat agierte.
Während aber Ludwig der Deutsche bei seinen Attacken auf Rastislav sogar mit Bulgaren sich verband, deren Khan auch fränkische Missionare erbat (S. 221), stritt Rastislav abwechselnd im Bund mit Tschechen, Sorben, fränkischen Grafen, ja, 858 mit Ludwigs Sohn Karlmann.
Macht erstrebt offenbar meist mehr Macht, politische, wirtschaftliche, religiöse, vielleicht jede Macht. So wurden seinerzeit auch die ostfränkischen Grenzgrafen immer wieder zum Aufruhr verleitet, unter ihnen der wohl mächtigste der Ostmark, Präfekt Graf Radbod, durch zwei Jahrzehnte dort die eigentlich beherrschende Figur. Er stand gleich neben dem Grafen Ernst, der sich jedoch auch erhob, wie noch so mancher Grenzgraf seinerzeit. Und wahrscheinlich im Zusammenhang mit seiner Empörung 854 gab König Ludwig 856 die Ostmark, die »marca orientalis«, jetzt erstmals so genannt, seinem Sohn Karlmann. 57
...und wieder katholische Söhne gegen den katholischen Vater ...
Obwohl diese Söhne eines gut katholischen Vaters selbstverständlich alle gut katholisch erzogen und alle von hohen katholischen Geistlichen umgeben waren und vermutlich auch alle das Vierte Gebot kannten: Du sollst Vater und Mutter ehren, standen alle, und nicht nur einmal, gegen den Vater auf. Dynastische Kämpfe im Frankenreich hatten freilich eine große Tradition. Und gerade Ludwig der Deutsche dürfte da immer wieder an die eigene rebellische Jugend erinnert worden sein ...
Zunächst erhob sich anno 861 der Älteste, der etwa dreißigjährige Karlmann (um 830–880), Herrscher über Bayern und Kärnten – wie Regino von Prüm, der etwas jüngere Zeitgenosse, ihm bescheinigt, nicht nur »sehr vortrefflich« und »der christlichen Religion ergeben«, sondern auch »friedliebend«; was immer Abt Regino darunter verstanden haben mag. Denn nur zwei Zeilen später rühmt er ihn mit der ganzen Unschuld seiner Religion und seines geistlichen Standes auch: »sehr viele Kriege führte er zusammen mit seinem Vater und noch mehr ohne ihn in den Reichen der Slaven und stets trug er den Triumph des Sieges davon; die Grenzen seines Reiches mehrte und erweiterte er mit dem Schwert ...« Doch wird es sich, wie meist in solchen Fällen, schlicht so verhalten: gerade weil Karlmann friedliebend war, mußte er so
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