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Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Descher
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Hucbert, der verheiratete Priester und dann in einem Gefecht fallende Abt, aus seiner Abtei verjagt, unter Karls des Kahlen Schutz und Schirm weilte, der seinerseits bereits zu hoffen begann, das Erbe des Neffen, Lothars Land, zumindest teilweise zu gewinnen – freilich nur, falls dessen Ehe mit der kinderlosen Gattin fortbestand, wofür Karl selbstverständlich eintrat. Und ebenso sein einflußreichster Prälat, Hinkmar von Reims, Ende 860 in seiner so umfänglichen wie spitzfindigen Schrift »Über die Ehescheidung König Lothars«.
    Lothar, von tiefstem Gram erfüllt, hätte Theutbergas Schande am liebsten verschwiegen, doch sei alles schon zu weit verbreitet gewesen. Ja, er hätte Theutberga »aus freien Stücken bei sich behalten«, wäre sie »für das Ehebett geeignet und nicht durch den verderblichen Makel der Blutschande besudelt« (Reginonis chronica). So erwies sich eine weitere Landessynode in Aachen Ende April 862 (mit den Bischöfen von Metz, Verdun, Toul, Tongern, Utrecht und Straßburg sowie den Wortführern, den Metropoliten wieder von Köln und Trier) dem König erneut nützlich. Sie erklärte die Ehe mit Theutberga für nichtig und erlaubte eine andere rechtmäßige Heirat. Noch an Weihnachten vermählte sich Lothar, »durch Zauberkünste, wie es heißt, verhext« (Annales Bertiniani), offiziell und feierlich mit der Konkubine seiner Jugend, und ein Bischof aus dem Reich Ludwigs II., Hagen von Bergamo, krönte Waldrada zur Königin. 24

Nikolaus I. im Kampf mit dem ostfränkischen Episkopat und dem Kaiser

    Der Papst hatte bisher, trotz des offenkundigen Unrechts, das Theutberga widerfahren, jahrelang geschwiegen, ja deren wiederholte Hilferufe ignoriert – er war von Lothars Bruder Kaiser Ludwig II. (S. 179 ff.), dem Herrscher über den größten Teil Italiens, auch über Rom und den Kirchenstaat, faktisch abhängig. Erst als Lothar 863/864 mit Ludwig um das Erbe ihres Bruders Karl von der Provence in Streit geriet, ging Nikolaus (schärfer) gegen Lothar vor. Er kommandierte nun den gesamten ost- und westfränkischen Episkopat zu einer Reichssynode nach Metz, die auch im Juni 863 zusammentrat, doch nur Bischöfe Lothars versammelte. Dazu kamen zwei den Vorsitz führende römische Legaten, die der Papst seine »vertrauten Ratgeber« nannte, die Bischöfe Johann von Ficocle (heute Cervia bei Ravenna) und Radoald von Porto, letzterer schon, was eben ruchbar wurde, durch die Byzantiner bestochen. Lothar nutzte gleich die Gelegenheit und bestach beide. Die Legaten legten darauf die Schreiben ihres Herrn teils gar nicht, teils verfälscht vor »und taten nichts von dem, was ihnen gemäß dem heiligen Befehl aufgetragen war« (Annales Bertiniani). So wurde die Ehe Lothars in seiner Gegenwart durch die Bischöfe einstimmig für nichtig erklärt und die selbst nicht anwesende Theutberga erneut verurteilt, was freilich gegen das Kirchenrecht verstieß, da über Abwesende nicht gerichtet werden durfte.
    Doch beschloß man – vom Papst gar nicht verlangt –, noch seine Bestätigung einzuholen. Mit den Legaten reisten die beiden Metropoliten, Gunthar von Köln, der als besonderer Kenner der Bibel und Kanones die Schriftsätze für die königliche Scheidung geliefert hatte, sowie der reichlich einfältige, aber gleichfalls sehr edelbürtige Teutgaud, zu »jenem Stuhl des seligen Petrus«, wie Abt Regino kühn behauptet, »der weder je täuschte noch sich durch irgend eine Ketzerei je täuschen ließ ...« 25
    In Rom hatte inzwischen der Episkopat aus dem Westreich interveniert, neue Vorwürfe gegen Lothar erhoben, ja, die Lauheit des Papstes getadelt, der erst jetzt von der Krönung Waldradas erfuhr. Und da er durch Karl den Kahlen die eigene Macht zu stärken glaubte, machte er sich nun dessen Politik zu eigen. Er trat erstmals streng gegen Lothar auf, nannte seine Ehe verbrecherisch und eröffnete gegen die eignen Legaten ein Disziplinarverfahren, wobei er einen bisherigen Vertrauten, Bischof Radoald, der neuen Politik opferte.
    Die beiden Kirchenhäupter von Köln und Trier, die Nikolaus im Herbst 863 zunächst freundlich empfangen, ließ er dann drei Wochen warten und erklärte sie durch eine römische Synode, ohne Zuziehung einer Synode von Bischöfen derselben Provinz, was jedem Herkommen widersprach, für abgesetzt und exkommuniziert: gänzlich ungehört, ohne förmliches Gerichtsverfahren, ohne Anklage, Verteidigung, ohne Vernehmung und Zeugen – ein eklatanter Bruch der Rechtsordnung, doch von

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