Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert
Hucbert, dem Abt, auch einer künstlich herbeigeführten Fehlgeburt. Nun beging der Abt zwar ringsum Raub und Mord mit »einer Bande von Verbrechern«, trieb es auch bekanntermaßen weidlich mit Weibern und gab für »Huren, Hunde und Jagdfalken« die Einkünfte einer Abtei aus, die hochberühmt war wegen der Gebeine der thebaischen Legion: 6600 Mann erlitten da unter Diokletian das Martyrium – erstmals allerdings fast eineinhalb Jahrhunderte später behauptet. (Und eine Ziffer, die allein die mutmaßliche
aller
christlichen Märtyrer in den ersten
drei Jahrhunderten
um ein Mehrfaches übersteigt!) Doch die spezielle Beschuldigung des Prälaten Schürzenjäger war wohl erlogen. Vergeblich auch unternahm Lothar zwei Feldzüge gegen den in seinen Alpenburgen sicher sitzenden Abt.
Erzbischof Gunthar von Köln verrät ein erlogenes Beichtgeheimnis
Als selbst ein »Gottesurteil«, eine »Wasserprobe«, bei der Theutbergas Vertreter Hand und Arm »unverbrüht« aus dem siedenden Wasser zog, zu ihren Gunsten ausging, fand man noch das »Gottesurteil« nicht ausreichend (das manche schon damals für faulen Zauber hielten, mittels dessen man andere austricksen konnte – indes die Kirche, trotz des Widerspruchs nicht weniger Theologen, die Praxis dieses iudicium Dei durchaus geduldet, noch in den Hexenprozessen praktiziert, wahrscheinlich sogar neue Formen, besonders die »Kreuzprobe«, erst entwickelt hat). So tischte der königliche Erzkaplan, Erzbischof Gunthar von Köln (850–870) – der das dortige reiche Kirchengut, einschließlich der heiligen Gefäße »von Gold und Silber und vieler Art« (Annales Xantenses) zugunsten seiner zahlreichen feudalen Verwandtschaft verschleuderte, seiner Brüder, Neffen, Schwestern, Nichten –, tischte der Prälat die Lüge auf, Theutberga habe ihm ihre Sünde in der Beichte bekannt.
Darauf verurteilte sie eine von Schmerz und Schauder erfüllte, außer von Gunthar von den Erzbischöfen Teutgaud von Trier und Wenilo von Rouen angeführte Landessynode in Aachen im Februar 860, vor der sie ein erzwungenes, schriftlich aufgezeichnetes, mündlich noch einmal bestätigtes, bald aber widerrufenes Geständnis ablegte: »Ich, Theutberga, ins Verderben geführt durch weiblichen Vorwitz und Schwäche, gefoltert von Gewissensbissen, lege zur Rettung meiner Seele und aus Treue gegen meinen Herrn ein wahres Geständnis ab vor Gott und seinen h. Engeln, diesen ehrwürdigen Bischöfen und edlen Laien, und bekenne, daß mein Bruder, der Kleriker Hucbert, mich in früher Jugend verführt und mit meinem Körper widernatürliche Unzucht getrieben hat. Das bezeuge ich auf mein Gewissen hin, nicht durch eine böswillige Einflüsterung dazu bewogen, noch durch gewalttätigen Zwang dazu getrieben, sondern der einfachen Wahrheit gemäß, so wahr mir der Herr helfe, der gekommen ist, die Sünder zu retten und denen, welche die Sünden aufrichtig und wahrheitsgemäß bekennen, wahre Verzeihung versprochen hat. Ich erdichte nichts, ich bekenne die Wahrheit mit meinem Munde, ich bekräftige sie durch dieses eigenhändige Schriftstück, weil es für mich unkluges und betrogenes Weib ein geringeres Unglück ist, vor den Menschen offen meine Schuld zu bekennen, als vor dem Richterstuhl Gottes erröten zu müssen und der ewigen Verdammnis anheimzufallen.«
Nach Regino von Prüm hatte der König die Zustimmung des Kölner Kirchenfürsten, damals sein Erzkapellan, »auf jegliche Weise« zu gewinnen versucht, hatte er dem großen Verwandtenwohltäter sogar versprochen, seine Nichte zu ehelichen. Sie wurde denn auch, berichtet der Abt, 864 an den Hof geholt und, »wie man erzählt, einmal von ihm genotzüchtigt (constupratur), dann unter dem Gelächter und dem Hohne aller ihrem Oheim zurückgeschickt«. Aber Seelsorge ist noch nie leicht gewesen ...
Immer mehr entwickelte sich eine Schmierenkomödie. Die ehrwürdigen Konzilsväter waren über Theutbergas Bekenntnis zutiefst schockiert. Sie wollten vom König wissen, ob »dieses Weib« von ihm erpreßt worden sei, was er mit Schwüren und Seufzern verneinte. Und ebenfalls versicherte Theutberga, sie habe alles ganz freiwillig bekannt und wolle nie dagegen klagen. Darauf verbot man ihr zwar die Führung der Ehe mit Lothar, annullierte diese selbst aber nicht. Doch verschwand die Königin sofort in Klosterhaft, um ihr Vergehen nach dem Wunsch der Synodalen zeitlebens zu büßen, zu beweinen. Noch im selben Jahr indes floh sie in das Westreich, wo auch ihr Bruderherz
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