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Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Descher
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brausendem Beifall begleitet. Die Legaten von Metz traf die gleiche Strafe.
    Den König verurteilte Nikolaus noch nicht. Die Metzer Synode aber charakterisierte er als eine »Räubersynode« und »Hurenwirtschaft«, das Protokoll derselben, das »profanum libellum«, wurde zerissen und verbrannt. Eine rechtliche Begründung für sein Urteil unterließ der Papst freilich. Doch sein Widerstand machte Lothars Reich noch zu dessen Lebzeiten zum Streitobjekt zwischen den Angrenzern im Osten und Westen. 26
    Als der Papst im Sommer 864 Gunthar exkommunizierte, nahm diesem Lothar, der ihm doch einiges verdankte, auch sein Erzbistum sowie die damit verbundene Würde eines lotharingischen Erzkaplans und gab den Kölner Stuhl nach eigenem Ermessen einem Welfen, dem Abt Hugo. Der aber brach nun »wie ein räuberischer Wolf in die Herde Gottes ein«. Zwar vertrieb man ihn schnell wieder, doch erst »nachdem sehr viele von ihm in diesem Bistum getötet worden waren« (Annales Xantenses).
    Als einziger Kirchenfürst opponierte Hinkmar, seit 845, dank der Gunst des westfränkischen Königs, Erzbischof von Reims. Wie üblich entstammte er feudalen Kreisen und war im Kloster St. Dénis erzogen worden. Er galt als einer der großen Gelehrten seiner Zeit, und während er seine erzbischöflichen Rechte gegenüber dem Papst eifrig verteidigte, erstrebte er nicht minder eifrig die eigenen Privilegien gegenüber seinen Bischöfen zu mehren, darunter Rechtstitel, »an die seine Vorgänger nicht einmal gedacht hatten« (Grotz S.J.).
    Als Metropolit der lotharingischen Bistümer gehörte Hinkmar zwar ebenfalls zu den Bischöfen Lothars, sein eigener Sprengel aber lag im angrenzenden Reich Karls des Kahlen, dessen leitender Staatsmann und einflußreichster Berater er war. Doch schon um machtvoller als Metropolit schalten und walten zu können, erstrebte Hinkmar die Angliederung Lotharingiens an den Westen. Deshalb hatte gerade er an Lothars Ehestreit ein eminent politisches Interesse und machte daraus die »cause célèbre«. Und erst recht war selbstverständlich König Karl II., schnell seinen Vorteil witternd, voller »Mitgefühl« für Theutbergas »Unglück« und strikt gegen Lothars, seines Neffen, Scheidung, weil dessen kinderlose Ehe ihm eine große Erbschaft garantierte.
    So nahm er nicht nur die aus ihrer Klosterhaft entkommene Theutberga bei sich auf und gab ihrem vertriebenen Bruder Hucbert, dem Schürzenjäger, die berühmteste Abtei des Landes, St. Martin in Tours, sondern er versagte schließlich auch Lothar die kirchliche Gemeinschaft, ja, bezweifelte sein Königtum. Und Erzbischof Hinkmar machte sich natürlich ganz zum Sprachrohr seines Herrn, suchte seinen Vorteil immer mehr im Vorteil seines Königs, brandmarkte Lothars Vorgehen, teils entrüstet, teils voller Hohn, und wollte die Entscheidung durch eine Reichssynode fällen. 27
    Die beiden gemaßregelten Erzbischöfe aber eilten wütend nach Benevent, wo Kaiser Ludwig II. gerade mit einem Heer lag. Sein zunächst gutes Verhältnis zum Papst war längst abgekühlt. So brach er »fassungslos vor Zorn« gleich nach Rom auf und stieß mit einer Bittprozession zusammen, von Nikolaus prophylaktisch, neben anderen Prozessionen und der Verfügung allgemeinen Fastens, zur Bekehrung des kaiserlichen Sinnes angeordnet. Der Papst ging dem Fürsten nicht, wie üblich, entgegen. Und dessen Haudegen schlugen auf die Bittgänger ein, mißhandelten die Geistlichen, rissen Kirchenfahnen in den Kot, zerschmetterten Kreuze, darunter sogar das Kreuz der hl. Helena mit angeblichen Stücken vom Kreuz Jesu. Man plünderte, erbrach Kirchen, demolierte Häuser, beging Greuel gegen Männer und Frauen; Verletzte gab es, Tote. Und als sich der edle Karolinger nach wenigen Tagen von Rom absetzte, ließen seine Truppen nicht nur ausgeraubte, zerstörte Wohnstätten zurück, sondern auch geschändete Kirchen, vergewaltigte Nonnen und andere Frauen ... Und die katholische Majestät »begab sich nach Ravenna und feierte daselbst das Osterfest ...« (Annales Bertiniani).
    Der Papst, dem dies alles wahrscheinlich sehr willkommen war, hatte sich heimlich nach St. Peter geflüchtet und dort zwei, drei Tage strikt gefastet. Er wartete, ein wenig den Märtyrer spielend, gelassen ab. Dann gab der heißspornige Kaiser, umgestimmt durch einen Todesfall, eine eigene Erkrankung und Gewissensbisse auch schon nach.

»Höre, Herr Papst Nikolaus ...« – Gekrönte Aasgeier und päpstlicher Frontwechsel

    Die beiden

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