Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert
in Stücke gerissen. Wie ein geprügelter Hund zog der Salier ab, allerdings Papst und sechzehn Kardinäle im Schlepptau; »nackt«, behauptet von den Kardinälen Helmold von Bosau, »mit Stricken um den Hals und auf den Rücken gebundenen Händen«, auch römische Konsuln und Pfaffen an Stricken, auch »unzählbare Scharen von Bürgern in Ketten«, eine Flucht und ein Triumphzug, vielleicht, wer weiß, eine Art Quittung auch für Canossa – wie sagt Goethe? Das beste an der Geschichte ist der Enthusiasmus, den sie erregt ... 11
Nach zweimonatiger Haft auf benachbarten Burgen wurde Paschalis weich und gestand, im Vertrag am Ponte Mammolo vom 11. April 1111, entgegen seiner ganzen Überzeugung, dem König das Recht der Investitur zu. Er gelobte außerdem eidlich, Heinrich deshalb keine Schwierigkeiten mehr zu machen, ihn niemals zu bannen, was überdies sechzehn Kardinäle im Namen des Papstes beschworen, der Heinrich schon zwei Tage später in der Peterskirche zum Kaiser krönte. Dabei brach der Papst die Hostie, teilte sie mit dem Monarchen und erklärte, während beide sie schluckten: »So sei vom Reiche Gottes getrennt, wer diesen Vertrag zu brechen versucht.« Ein knappes Jahr darauf aber ließ Paschalis durch die Lateransynode vom März 1112, unter Bruch seines Wortes und Eides, den Vertrag, das »Pravileg«, verdammen, für ungültig erklären und am 16. September, durch eine südfranzösische Synode, deren Beschlüsse er bestätigte, über den Kaiser den Bann verhängen – und nannte den Exkommunizierten seinen »in Christo hochgeliebten Sohn«, ja bemerkte, der Bund mit ihm sei intakt.
Dabei trotzten viele Kirchliche fanatisch dem Regenten; besonders die radikalen Gregorianer, die in ihm den Vorkämpfer des Antichristen sahen, ihm jetzt auch die Revolte gegen seinen Vater vorhielten, die sie doch selbst betrieben hatten. Nun fielen sie über den Schrittmacher des Teufels her, wetterten überhaupt wider die »misera Germania« und die »gottlosen Deutschen«, die Abt Suger von Saint-Denis 1124, anläßlich des Feldzuges von Heinrich V. gegen die Franzosen, »barbari«, sogar »Sarraceni« schimpfte. 12
Doch auch in Deutschland begannen einflußreiche Kirchenmänner den Ungehorsam gegen den nun von diversen Synoden gebannten Kaiser zu schüren.
Die geistliche Leitung hatte das Kloster St. Georgen im Schwarzwald unter dem Abt Theoger, obwohl auch wieder die Hirsauer hetzten. Adalbert von Saarbrücken, Heinrichs früherer Kanzler und von ihm für seine Verdienste erst 1111 als Erzbischof von Mainz investiert, erhob sich, von flammendem Ehrgeiz erfüllt, viele Jahre wider ihn, ja wurde sein schärfster Gegner und, neben dem Sachsenherzog Lothar von Süpplingenburg, der eigentliche Anführer der deutschen Opposition; ihr »Haupt und Urheber«, wie Bischof Otto von Freising den »verschlagensten und begütertsten aller damaligen Fürsten des Reichs« nennt. Denn hier wie in anderen Konflikten gab weniger die Kirchen- als die Territorialpolitik, der Übergriff des Prälaten auf diverse Reichsburgen, den Ausschlag. Auch stärkte Adalbert I. von Mainz die 1112 neu ausbrechende Gegnerschaft thüringisch-sächsischer Adelskreise.
Ebenfalls rebellierte Erzbischof Friedrich I. von Köln. Erst zum Kaiser übergetreten, entfachte er – wieder aus territorialpolitischen Gründen – 1114 die erfolgreiche niederrheinische Erhebung, der sich die Kölner Bürgerschaft unter Führung ihres Oberhirten und der größte Teil des regionalen Hochadels anschloß. (Derselbe Kirchenfürst, beiläufig, verhaftete auch den »Ketzer« Tanchelm, den 1115 ein Priester erschlug.) Kurz, die Territorialpolitik, die Förderung der Reichsministerialen und Städte erregten immer mehr den Widerstand der Großen, so daß es Heinrich V. nun wie seinem Vater ging – »das halbe Reich in einem Aufstand, der sich seine Berechtigung von der Kirche bescheinigen ließ« (Haller).
Als gar ein (zahlenmäßig unterlegenes) Heer des Kaisers am 11. Februar 1115 am Welfesholz bei Eisleben von einem sächsischen, durch rheinische Kontingente verstärkten Aufgebot unter Lothar von Süpplingenburg, von Heinrich V. 1106 zum Herzog erhoben, schwer geschlagen, sein Feldherr Graf Hoyer von Mansfeld getötet wurde und ihm Sachsen, ganz Norddeutschland faktisch weitgehend verlorenging (vor allem der Zugang zu den großen Krongütern, aber auch der Einfluß auf Reichslehen und Bistümer), fiel die Kirche erst recht über Heinrich her. Der Episkopat sprang
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