Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert
großenteils von ihm ab. Auch der kaiserliche Gesandte, Bischof Erlung von Würzburg, der freilich bereits mehrmals zwischen Heinrich IV., dessen Kanzler er war, und Heinrich V. gewechselt, ging in Köln zu den Gegnern über, als Erzbischof Adalbert, der Bundesgenosse Herzog Lothars, eine Fürstenversammlung ohne den Herrscher eröffnete. Zwei päpstliche Legaten – deren einer, Kardinalbischof Kuno von Praeneste (Palestrina), ein Deutscher und rigoroser Bestreiter der imperialen Investiturpolitik, Heinrich schon von Palästina bis Frankreich öffentlich verflucht hatte – stachelten nun in Deutschland gegen ihn auf und verkündeten den Bann. Und Papst Paschalis, der durch sechzehn Kardinäle hatte beschwören lassen, Heinrich niemals zu bannen, bestätigte auf der Jahressynode im März 1116 alles, was die Legaten »in seinem Namen« getan – verleugnete aber noch nach der Synode gegenüber kaiserlichen Gesandten seine Legaten! 13
Im übrigen wurde Paschalis' eigene Position in Rom immer brüchiger.
Seine Macht verdankte er vor allem dem Geld Pierleones, des Enkels von Baruch-Benedikt. Dessen Haus, etwa gegen Mitte des 11. Jahrhunderts vom Judentum zum Katholizismus konvertiert, war um die Kirche hochverdient. Es hatte eine Reihe von Päpsten, seit Nikolaus II., gestützt, später auch mit Petrus Pierleone selbst einen Papst, Anaklet II. (S. 428 ff.), sowie mehrere Kardinäle gestellt und war dabei selbst immer reicher, somit auch politisch bedeutend geworden. Viktor III. und Urban II. fanden in den Festungen der Familie Schutz, Urban war in ihrem Palast gestorben. Paschalis übertrug ihnen die Regierung Roms, ging er auf Reisen. Ihr Geld, ihre Macht, ihre glanzvollen Verbindungen ließen ihre jüdische Herkunft schnell vergessen. Sie waren schließlich die einflußreichste Sippe der Stadt, auch die am meisten angefeindete, vor allem durch die Frangipani, die, wiewohl gewöhnlich Parteigänger der Reformpäpste, doch zeitweise dem ghibellinischen, dem kaiserlichen Lager nahe, stets aber im scharfen Interessengegensatz zu den Pierleoni standen. 14
Im April 1116 brach anläßlich der Wahl des Präfekten in Rom ein Stadtkrieg aus. Der Papst hatte einen anderen Kandidaten als die Kaiserlichen und die Römer. Denn diese wüteten zwar oft gegen das Kaisertum, »aber ihr Widerwille gegen die Papstgewalt war ewig« (Gregorovius), ein Punkt, auf dem der Geschichtsschreiber häufig insistiert.
Die Römer überfielen an Ostern die päpstliche Prozession. Kirchen wurden beraubt, Türme, Häuser ruiniert, es kam zu Exzessen jeder Art. Paschalis II. mußte fliehen, verscherbelte Kirchengüter, eroberte dann Rom zurück. Doch ein neuer heftigerer Aufruhr brach aus, die Bürger riefen den Kaiser zu Hilfe, der um Ostern 1117 kam und seine Gattin Mathilde, die Tochter Heinrichs I. von England, durch den portugiesischen Erzbischof Mauritius von Braga, der gerade in Rom weilte, krönen ließ, ganz ungeachtet etlicher Bannflüche, die das kaiserliche Haupt bereits getroffen. Paschalis war erneut geflohen, suchte Monte Cassino auf, den Schutz der Normannen in Benevent, wo er den Erzbischof von Braga sofort aus der Kirche stieß, kehrte aber nach dem Abzug des Kaisers im Januar 1118 mit Heeresmacht nach Rom zurück und verschied noch im selben Monat, während seine Sturmmaschinen schon St. Peter bedrohten und er noch sterbend mahnte, die »Anmaßung der Deutschen« niederzukämpfen. 15
Nach Paschalis' Tod in der Nacht zum 21. Januar wurde am 24. der altersschwache Johann Gaetanus, der jahrzehntelange Kanzler der Kurie, als Papst Gelasius II. (1118–1119) ausgerufen, unmittelbar darauf mit seinen Kardinälen durch die Frangipani mißhandelt, in einem Turm in Ketten gelegt, doch wieder befreit, ja nun auf einem weißen Maultier umjubelt in den Lateran geleitet. Im Frühjahr freilich floh er mit knapper Not vor dem anrückenden Kaiser samt Hof und Kardinälen auf abenteuerliche Weise wahrhaft hollywoodreif unter Donner, Blitz und deutschem Pfeilregen zu Schiff aus Rom in seine Vaterstadt Gaeta.
Heinrich ließ am 8. März 1118 Mauritius, den Erzbischof von Braga, als Gregor VIII. (1118–1121) zum Papst ausrufen, und Papst Gelasius belegte ihn schon am 9. April samt seinem kaiserlichen Schutzherrn mit dem Bannfluch. Viele Provinzen Italiens, Deutschlands und Englands aber anerkannten ihn. Doch kehrte Gelasius nach Abzug des Monarchen im Mai mit der Waffenhilfe des Herzogs von Gaeta wieder zurück. In Rom, wo nun einmal mehr zwei
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