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Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
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Päpste Seite an Seite residierten, sich gegenseitig verfluchten, »tönernes Götzenbild« und »apokalyptisches Tier« schimpften, beherrschte allerdings Gregor VIII. den größeren, von den Frangipani kontrollierten Teil der Stadt, auch St. Peter, die Residenz der Gegenpäpste, und die Engelsburg. Und als Gelasius am 21. Juli bei einem feierlichen Hochamt erneut von den Frangipani überfallen wurde, konnte er gerade noch zu Beginn eines vielstündigen Gefechts unbemerkt mit fliegenden Meßgewändern davongaloppieren und alsbald die Heilige Stadt, »Sodom« und »Babylon«, die »Stadt des Bluts ...«, von ihm geschmäht, verlassen. Er floh nach Südfrankreich, wo er, bereits todkrank eingetroffen, am 29. Januar 1119 im Kloster Cluny auf blankem Boden liegend starb.
    Ein viel elenderes Schicksal als Gelasius II. ereilte allerdings seinen Gegner Gregor VIII., dem man den Spitznamen Burdinus (Eselchen) attribuierte. Nötigte ihn doch Gelasius' Nachfolger, Erzbischof Guido von Vienne, ein Graf von Burgund, der sich, im Frühjahr 1119 in Vienne geweiht, als Papst Calixt II. (1119–1124) nannte, im Sommer 1120 mit Gold und Truppen zur Flucht aus Rom. Gegenpapst Gregor schloß sich in seinen Stützpunkt Sutri ein, das der Heilige Vater Calixt jedoch in Person im April 1121 mit seinen Haudegen berannte, worauf die Bürger Gregor VIII. auslieferten.
    Nach einer bestialischen Behandlung durch die päpstlichen Söldner ließ ihn Calixt in ein Bocksfell stecken und als Spottfigur, verkehrt auf einem Kamel sitzend, seinen Triumphzug – nach wahrlich kümmerlichem Sieg – in Rom eröffnen, wo man den einstigen Erzbischof von Braga mit Prügeln und Steinwürfen wie ein Tier durch die Straßen trieb, dann einkerkerte, von Burg zu Burg schleppte, bis er schließlich in einem süditalienischen Kloster umkam, ohne seinen papalen Anspruch aufzugeben. (Kann man hier wirklich Johannes Haller folgen, wenn er diesen Unglücklichen »eine mehr komische als tragische Gestalt« nennt? Sein Namensvetter, der hl. Mauritius, der legendäre Häuptling der Thebaischen Legion, der auch unter den Saliern ein Reichspatron blieb und Ende des 3. Jahrhunderts angeblich mit all seinen 6600 Legionären in der Schweiz den Märtyrertod starb – obwohl es so viele christliche Märtyrer wahrscheinlich in der
gesamten Antike bei weitem nicht
gegeben hat: III 164 f!, könnte er nicht zutreffender eine komische Figur heißen?) 16
    Mit dem Kaiser erstrebte Calixt II., ein stolzer, herrischer, mit vielen europäischen Fürsten verwandter Papst, einen Ausgleich. Er war auch mit Heinrich entfernt verwandt, den er als Erzbischof erbittert bekämpft hatte. Er schrieb ihm sogleich nach seiner Thronbesteigung und sprach ihn als Vetter an. Da Heinrich sich aber seinen Wünschen nicht fügte, die für Oktober 1119 in Mouzon vereinbarte Aussöhnung unterblieb, verfluchte er ihn noch in diesem Monat in feierlichster Form auf dem Konzil von Reims. Rasch erneuerte er die Verbindung mit den kaiserfeindlichen Gruppen, und Erzbischof Adalbert, dessen eigene Diözesanen in Mainz rebellierten, durch zahlreiche Hinrichtungen aber wieder friedlich gestimmt wurden, schürte als päpstlicher Legat in Deutschland eifrig den Bürgerkrieg, in dem er selbst ein Heer anführte.
    Münster vertrieb seinen Oberhirten und wurde von den Kaisergegnern erobert und verbrannt. Doch gelang Heinrich im Verein mit den Fürsten und zum argen Verdruß Erzbischof Adalberts im Herbst 1121 der Abschluß eines Waffenstillstands. Und ein Jahr später, am 23. September 1122, schloß man das berühmte, zuerst von G.W. Leibniz so genannte Wormser Konkordat – ein Kompromiß, wenn man so will, eine halbe Lösung, doch keinesfalls, wie auch behauptet wird, ein »unentschieden« (Bosl). Es war das Ende des Investiturstreites, des Kampfes um die Reichskirche, aber noch nicht das Ende des Kampfes um die Macht, der vielmehr zwischen Kaiser- und Papsttum um die Mitte des 12. Jahrhunderts scharf entbrannte.
    Das Wormser Konkordat, in zwei Urkunden mit den jeweiligen Verpflichtungen ausgefertigt, dem vom Kaiser ausgestellten »Heinricianum« und dem vom Papst ausgestellten »Calixtinum«, basierte vor allem auf der Unterscheidung von Spiritualia und Temporalia, dem geistlichen und weltlichen Bereich – in mittelalterlichen Quellen leicht ineinanderfließende Begriffe. Die Spiritualien betrafen besonders das Anstellungs- und Entlassungsrecht über die Geistlichen, neben anderen jurisdiktionellen Befugnissen; die

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