Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert
Zunächst hatte man den Ortsbischof Siegfried, Lothars Parteigänger, verjagt. Nach drei Monate langer Belagerung aber bekam der König im November 1128 Speyer mit Hilfe böhmischer Haufen in die Hand, mit dem militärischen Beistand des Mainzer und des Bremer Erzbischofs, des Bischofs Otto von Halberstadt und (wahrscheinlich) des Bischofs Berthold von Hildesheim. Doch 1129 ging die Stadt, ungeachtet der erst beschworenen Verträge, wieder zu den Staufern über, die es erneut besetzten, fiel dann allerdings, nach fast halbjähriger Einschließung, 1130 endgültig dem Süpplingenburger zu, der sich dabei in mehrfacher Hinsicht ebenso großmütig wie klug erwies. Inzwischen freilich sollen am 7. August 1129 in einer Schlacht in der Gegend von Lüttich 824 Männer gefallen, dazu viele noch auf der Flucht umgekommen sein.
Neben größeren Kämpfen gab es Fehden und Greuel verschiedener Art.
Besonderes Aufsehen erregte die Ermordung des Grafen Karls I. von Flandern. Der dänische Königssohn und französische Kronvasall, betont konservativ und kirchlich eingestellt, wollte die aus der Unfreiheit aufgestiegene mächtige Sippe der Erlembalde wieder in eine unfreie Stellung drücken. Der Propst von St. Donatian zu Brügge ließ deshalb den Grafen durch seinen Neffen nebst Verschworenen nach einem umsichtig ausgeheckten Plan am Morgen des 2. März 1127 in der Kirche St. Donatian ermorden. Die Bluttat, die Flandern in eine schwere Krise stürzte, berührt auch deshalb merkwürdig, weil schon Karls Vater, König Knud IV. der Heilige, 1086 in Odense ermordet worden war, und zwar ebenfalls in einer Kirche; im übrigen nicht ungewöhnlich, wenn auch nicht alltäglich, obwohl, vielleicht am selben Tag desselben Jahres, auch die Ermordung des Grafen Wilhelm von Burgund erfolgte. 19
Selbst in Sachsen war es 1129 und 1130 zu Unruhen, Fehden, Mordanschlägen gekommen.
In Magdeburg stand der schroffe, von Ehrgeiz brennende Erzbischof Norbert von Xanten (1126–1134), ein niederrheinischer Grafensohn, Gründer des Prämonstratenserordens, jahrelang im Konflikt mit seinen Kanonikern, nachdem er schon mit den Kanonikern von Xanten spektakulär gebrochen. Dagegen erfreute er sich bei den Päpsten – Honorius II. bestätigte bereits 1126 den Orden der Prämonstratenser – eines ebenso guten Rufes wie bei König Lothar, mit dessen Zustimmung er (gegen Lothars eigenen, zunächst von ihm auch protegierten Vetter Konrad von Querfurt) Metropolit in Magdeburg wurde, ohne Zweifel ein Vertrauter des Monarchen, an dessen Hof er, abgesehen von seiner Beteiligung am Romzug, nicht weniger als elfmal bezeugt ist.
Im Osten aber engagierte man sich gegen den einstigen Weltmann, den Bußprediger, Dämonenaustreiber, den Reiche-Leute-Fänger, der mit seiner Ordensstiftung angeblich das »Ideal der Urkirche« aufgriff (Lexikon für Theologie und Kirche) und »sein Lebensideal in der
vita apostolica,
einem Leben in bewußter Armut« sah (O. Engels), den seine Gegner jedoch einen Schwindler und Betrüger hießen und am liebsten hätten hängen lassen. Tatsächlich machte man auf den so unbeliebten, harten und heilig-gesprochenen, noch 1982 von Johannes Paul II. zum Patron des Magdeburger Landes erhobenen Kirchenfürsten (Fest 6. Juni), zu dessen Widersachern auch Abaelard zählte, zwei Mordversuche aus seiner nächsten Umgebung, den zweiten sogar durch einen seiner Hausgeistlichen.
Da nicht nur der Magdeburger Klerus, sondern auch Adel und Bürger sich massiv dem Bischofsregiment widersetzten, mußte Norbert, ein Mann von weitgerühmter Frömmigkeit (Gesta Alberonis), ein großer Wundertäter auch, dem doch gerade so viele Bestreitungen des Bösen, so viele Teufelsaustreibungen glückten, auch mittels exorzierter Wasserbäder oder Zahnfleischbehandlungen mit geweihtem Salz (Vita Norberti) (eine Totenerweckung mißlang – durch den Unglauben der Menge!), in das Kloster Berge und das Augustinerstift Neuwerk fliehen. Er bannte seine Gegner und regierte weiter wie gewohnt. So ließ er nach Raub und Mord in der Klosterkirche Nienburg die in der Nähe liegende Analenburg zerstören, da ihre Besitzer zu den Bedrängern des Klosters gehörten. Der Heilige selbst gründete viele Klöster, auch viele Frauenhäuser, worin die Nonnen rasch ebenso überhandnahmen wie Hurerei und Greuel; gewiß in den Asketen- und Asketinnenkasernen alles andere als selten.
Mit welchem »Feuereifer« dieser Heilige das Wort und Reich Gottes verbreitete, erhellt u.a. auch aus seinem
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