Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert
Geschichtswissenschaftler sahen in Lothar einen »Pfaffenkönig«, die neueren möchten dies nicht mehr ganz wahr haben; aber so falsch ist es nicht. Lothar wurde durch die Kirche König und erwies sich ihr lange, wenn irgend möglich, gefällig, selbstverständlich stand sie deshalb auch zu ihm. Nicht zuletzt ihr verdankt er einen gewissen Ruf als »Friedensfürst«, obwohl unter ihm Fehden und Kriege kaum abrissen.
Friedrich hatte in Mainz noch gute Miene zum bösen Spiel gemacht und dem siegreichen Lothar gehuldigt. Doch die Versöhnung war offensichtlich von beiden Seiten nicht aufrichtig gemeint, jeder wollte mehr Einfluß, mehr Besitz – das ewig gleiche Machtgerangel. Schöner gesagt: auch ihre Sorge »galt der öffentlichen Ordnung ...«. Die Gegensätze saßen viel zu tief, und der Konflikt wurde vom Klerus gefördert. Er brach schon 1125 beim Streit um das salische Hausgut und das mit diesem vermengte Reichsgut aus, zwei Begriffe, die man bisher kaum recht unterschied, wobei Erzbischof Adalbert eine treibende Rolle spielte, da ihm kaum etwas lieber als die Vernichtung der Staufer war. »Nicht läßt der Egel die Haut, als bis er vom Blute geschwollen«, zitiert Bischof Otto von Freising im Hinblick auf den Mainzer den Horaz. Darin traf sich Adalbert ganz mit dem jungen König, von dem der Freisinger Bischof wieder sagt: »Er unterdrückte auf jede Weise das Geschlecht Kaiser Heinrichs.« Die Schwestersöhne des Kaisers, Friedrich und Konrad, aber dachten nicht daran, das Reichsgut dem neuen Herrscher auszuliefern, sondern zogen noch weiteres, wie etwa Nürnberg, an sich, worauf der gegenseitigen Besitzgier ein zehnjähriger Krieg folgte.
Nachdem man den Staufer auf dem Straßburger Hoftag Ende 1125 geächtet, einen ersten Feldzug 1126, u.a. mit dem hl. Erzbischof Norbert (mit wahrscheinlich Magdeburger Truppen), eingestellt hatte, mißlang Lothar im Sommer 1127 auch die Eroberung Nürnbergs, und dies, obwohl ihn nicht nur zahlreiche, das Land bis zur Donau verheerende und sogar die Kirchen ausraubende böhmische Verbände unterstützten, sondern auch Krieger des jungen Bayernherzogs Heinrich des Stolzen. Er hatte erst am 29. Mai – die fast übliche frühmittelalterliche »Pubertätsehe« (Ennen) – Lothars gerade zwölfjährige (zwei Jahre später Heinrich den Löwen gebärende) Tochter Gertrud, sein einziges Kind, geheiratet, wodurch der König einen bedeutenden Kombattanten gegen die Staufer gewann und der unheilvolle Gegensatz zwischen den beiden mächtigsten süddeutschen Häusern, Staufern und Welfen, nun lange Zeit das Reich zerriß. 17
Da nicht nur der Angriff auf Nürnberg zu einem Rückzug des Königs führte, sondern auch ein Einfall seines Schwiegersohnes in Schwaben, fühlten sich die Staufer zu Höherem ermutigt.
Am 18. Dezember 1127 riefen schwäbische und fränkische Adelige in Rothenburg ob d.T. Friedrichs Bruder Konrad, gerade erst von einer Pilgerfahrt ins Heilige Land zurückgekehrt, zum (Gegen-)König aus. Warum ihn und nicht Friedrich, bleibt unklar. Jedenfalls verhängten darauf die in Würzburg im Gefolge Lothars versammelten Prälaten unter Führung der Metropoliten Adalbert von Mainz, Konrad von Salzburg und Norbert von Magdeburg am 25. Dezember die Exkommunikation über den »Einbrecher in das Reich«, den beinah alle Quellen verurteilen. Sein Bruder Friedrich, der als Anstifter der Erhebung galt, wurde in den Kirchenbann gleich eingeschlossen.
Gegen die weltliche Gewalt allein hätten die Staufer vielleicht bestehen können. Aber gegen Reich und Kirche zusammen mußten sie scheitern. Und die Mehrheit des deutschen Klerus stand eindeutig zu Lothar, der sich auch in seinen ersten Regierungsjahren als Mann der Kirche, als »nachgiebig bis zum äußersten« (Haller) erwies. Und da der Gegenkönig, rex naturalis, der durch sein Erbrecht Legitimierte, als Erbe des letzten Saliers wohl auch den gewaltigen Besitz der Mathilde von Tuszien beanspruchen konnte – zumal er schon bald, im Juni 1128, in Monza die lombardische Krone erwarb, ohne freilich in Italien mehr erreichen oder sich gar durchsetzen zu können –, hatte auch Papst Honorius im April 1128 den Bannfluch gegen Konrad samt Anhang geschleudert, wobei alle Priester ihre Fackeln gegen den Boden stießen und löschten. 18
Mit Ausnahme des Nordens war der Krieg fast in ganz Deutschland entbrannt. Auch im Elsaß wurde gekämpft. Allein Speyer, gelegentlich Hauptstadt der Staufer genannt, wechselte viermal den Besitzer.
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