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Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
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Stunden später wählte die Mehrheit des Kardinalkollegiums den Kardinal Petrus Pierleone, den auch der größte Teil des Adels und das Volk anerkannten, einen sittlich unbescholtenen, begabten und reichen Mann. Es war der in Paris erzogene, dann zunächst in Cluny als Mönch lebende Urenkel des zum Katholizismus konvertierten Juden Baruch-Benedikt (S. 188 f.), der sich Anaklet II. nannte (1130–1138). Bisher in der Kirche hochgeachtet, nun aber, gerade weil sich seine Gegner im Unrecht sahen, mit Vorwürfen überschüttet, die bis zur Blutschande reichten, doch auch andere Richtungen nahmen. »Judenbengel« (puer Judaicus) schimpfte ihn der hl. Bernhard von Clairvaux (obwohl die Pierleoni seit einem Dreivierteljahrhundert die Finanzhelfer der Reformpäpste gewesen). Ja, der berühmte Kirchenlehrer beklagte die Schande, daß »ein Judensproß« (soboles Judaica: MPL 182, 294 B) auf dem Stuhl Petri sitze, und scheute nicht die Lüge, die Mehrheit habe Innozenz gewählt. Vor allem aber brachte der Vorwurf des Judentums Anaklet um seinen Erfolg. Sogar das Lexikon für Theologie und Kirche beschließt seinen Anaklet-Artikel: »maßgeblich für den Sieg Innozenz' II. war u.a. die Betonung der jüdischen Herkunft seines Rivalen«.
    Gewiß, beide Wahlvorgänge waren unkanonisch, doch gibt auch Katholik Seppelt zu, daß die Minderheit der Kardinäle Innozenz II. »überstürzt und formlos« gewählt, die Mehrheit aber Anaklet II., den alsbald verketzerten »Gegenpapst«, in »den hergebrachten Formen« erhoben habe; ja er befand sich, so das Lexikon des Mittelalters, »ohne Zweifel im besseren Recht«. 24
    Doch das bessere Recht zählt da und sonst gewöhnlich wenig, mehr Macht meist alles – ein so banales wie fundamentales Geschichtsfaktum.
    Wie so oft hatte man wieder zwei Heilige Väter – immerhin ja nicht, wie auch manches Mal, noch mehr. Doch ging es bei der Doppelwahl, die ein achtjähriges Schisma nach sich zog, wohl nicht so sehr um rivalisierende Kleruskreise mit verschiedenen Reformkonzepten, kirchenpolitischen Programmen. Sie sollen angeblich das Kardinalskollegium gespalten haben in eine Minorität eher jüngerer, »progressiver« norditalienischer und französischer Kardinäle um Innozenz II., zu dem auch die jüngeren Reformgruppen der Regularkanoniker, der Prämonstratenser und Zisterzienser standen, und in die Majorität meist älterer römischer und süditalienischer Kardinäle mehr altgregorianischer Tradition um Anaklet. Sondern es ging wohl einfach um die besseren persönlichen Kontakte. Daß daneben noch konkurrierende Adelssippen mitspielten, steht fest, gab aber keinesfalls den Ausschlag.
    Wie gewöhnlich prallten die fanatischen Priester gleich aufeinander. Dabei verlor Innozenz II. rasch an Boden, jedenfalls in der Heiligen Stadt, wo man jetzt mit großem Schwung die Waffen für die heilige Sache führte. Und das Geld springen ließ, nicht zuletzt auch durch Versilberung der Kirchenschätze. Schon einen Tag nach der beiderseitigen Erhebung erstürmte am 15. Februar Anaklets Anhang St. Peter, am 16. den Lateran. Bald wurde Innozenz auch aus dem Kloster Palladium zwischen den Festungstürmen der Frangipani vertrieben; bei Nacht floh er nach Trastevere; schließlich konnte er sich auch dort nicht mehr halten.
    Obwohl Innozenz II. nicht nur aus Rom weichen mußte, das er acht Jahre nicht in die Hand bekam, sondern sogar aus Italien, ging er als Sieger aus dem vor allem publizistisch und diplomatisch geführten Kampf hervor. Dies verdankte er den viel besseren internationalen Verbindungen, die er besonders durch Haimerich, durch dessen engen Freund Bernhard von Clairvaux und den Magdeburger Erzbischof Norbert von Xanten hatte. Der hl. Bernhard gewann für Innozenz die Könige Ludwig VI. von Frankreich und Heinrich I. von England, der zunächst mehr zu Anaklet neigte, schließlich auch Mailand. Der hl. Norbert zog Lothar III. und den Reichsepiskopat auf seine Seite. Dagegen gründete Anaklets Macht fast ausschließlich auf Roger II., auch wenn er noch Anklang in Südfrankreich und vor allem in Schottland fand.
    Die Gegnerschaft der beiden Päpste, die einander nebst Anhänger, wie üblich, verfluchten, führte zu jahrelangen Kriegen in Italien, wobei halb Europa hineingezogen wurde.
    Der weitaus größte Teil Roms, in dem Innozenz nur kurz Fuß fassen konnte, hielt zu Anaklet, der auch rechtmäßig gewählt und in St. Peter geweiht worden war. Die britischen Bischöfe standen zunächst ebenfalls zu

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