Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert
einen Eid auf die Reliquien beschworen. Meginhard stritt dies später ab, nicht aber seine Absicht, den Herzogsneffen zu befreien, denn anscheinend wünschte er ihn als Herzog.
Als die Sache aufflog, hatte sich der Prälat, wie günstig, gerade auf eine Pilgerreise nach Jerusalem begeben. Die übrigen aber traf fast samt und sonders die Rache des frommen Fürsten. Nachdem er erst noch nacktfüßig eine Dankprozession in den Prager Dom hinter sich gebracht, ließ er den Brüdern Miroslaw und Strezimir auf dem Markt alle Glieder abschlagen, den von ihnen zum Mord gedungenen Männern die Augen ausreißen, Zunge und Hände abschneiden, ihre Schenkel brechen und die Verstümmelten aufs Rad flechten. »Seine Sorge galt der öffentlichen Ordnung« (Lexikon des Mittelalters). Eine Gruppe weiterer Verdächtiger, deren Schuld nicht feststand, wurde, ordnungshalber, geköpft, der Herzogsneffe, dem gar nichts nachgewiesen werden konnte, geblendet, anscheinend gleichfalls ein pures Prophylaktikum.
Der Priester freilich behielt Kopf, Glieder, Augenlicht; er kam nur in Haft. Und als im nächsten Jahr der Bischof selbst aus dem Heiligen Land heimkehrte, waren alle, die gegen ihn hätten zeugen können, wie günstig wieder, längst tot. Der hl. Otto aber, ein Freund des Meginhard, eilte persönlich nach Prag, gab für den Amtsbruder eine feierliche Ehrenerklärung ab, worauf auch andere Bischöfe und Äbte Meginhard nicht minder feierlich rein von jeder Schuld sprachen. 15
Erneuter Bürgerkrieg in Deutschland – Staufer, Welfen (und ein Heiliger verketzert den andern)
Lothar von Süpplingenburg (dessen Beinamen erst Forscher des 19. und 20. Jahrhunderts zu »Supplinburg« entstellten) war zwar der Sproß einer alten und hochadeligen Familie, doch weder besonders begütert noch einflußreich, möglicherweise der Grund, warum ihn Heinrich V. zum sächsischen Herzog erhob. Dann aber wurde er beziehungsweise seine Gattin Richenza, mit der er fast vierzig Jahre, erstaunlich lang nicht bloß für einen damaligen Fürsten, zusammenlebte, mit reichen Erbschaften nur so überhäuft, mit Besitzungen Heinrichs des Fetten von Northeim, seiner Großmutter Gertrud, seiner Schwiegermutter Gertrud von Braunschweig, Erbfälle, die Lothars eher beschränkte Macht erweiterten, ihn zum Mächtigsten in Sachsen machten, zumal er seine Stellung von Anfang an systematisch ausgebaut hat.
Der Machtzuwachs verlockte den Herzog indes zu Größerem.
Dabei geriet er freilich mit sächsischen Herren, vor allem aber mit der sogenannten Zentralgewalt in Konflikt, brachte er es etwa fertig, 1112 einem sächsischen Komplott gegen den Kaiser beizutreten, so daß er sein Herzogsamt, das er von jenem ja bekommen, verlor, und brachte es, als er es wiederbekam, weiter fertig, noch im selben Jahr abermals abzufallen. Bald darauf, 1114, während der pompösen Hochzeitsfeier Heinrichs V. mit Mathilde, der erst elfjährigen Tochter König Heinrichs I. von England, warf sich der stolze Sachsenherzog in Mainz barfuß und im Büßergewand dem Kaiser zu Füßen, schloß sich jedoch noch im selben Jahr wieder einem oppositionellen Fürstenbund an, ja besiegte den Herrscher im nächsten Jahr in der Schlacht am Welfesholz (S. 396). Und seitdem führte er, zusammen mit den Erzbischöfen Adalbert von Mainz und Friedrich von Köln, die deutsche Opposition an, wobei er u.a., entgegen den Verfügungen des Kaisers, mit Waffengewalt 1123 Konrad von Wettin zum Markgrafen von Meißen und den Askanier Albrecht den Bären zum Markgrafen der Lausitz machte.
Auf der von Erzbischof Adalbert zum 24. August 1125 nach Mainz einberufenen Wahlversammlung schied zunächst durch eine ebenso simple wie wirksame Machenschaft der Kandidat mit den meisten Chancen, Friedrich von Schwaben, der salische Familienerbe, aus. Verärgert durch die Tricks und Intrigen des die Kommission lenkenden Mainzers, verließ er die Versammlung, und am 30. August wurde Lothar von Süpplingenburg König – in freier Wahl! Der erste, der ihn wählte, war offenbar der Mainzer Seelenfürst. Die erste Verhandlung, in die man nach der Wahl eintrat, galt dem Verhältnis des neuen Königs zur Kirche – der ein zeitgenössischer Schriftsteller endlich »die Freiheit« wünscht, »welche sie immer ersehnt hatte!« Die ersten, die König Lothar den Treueid schworen, waren die 24 anwesenden Bischöfe. Und am 13. September setzte ihm Erzbischof Friedrich von Köln in Aachen die Krone auf. 16
Die älteren
Weitere Kostenlose Bücher