Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert
erobert und wieder zurückerobert, die Ernten wurden verbrannt, Nutztiere gestohlen, Einwohner ermordet. Es gab unablässig Krieg, und die dortigen Christen litten natürlich seit den Kreuzzügen unendlich mehr als vor diesen, denn nun hat man sie versklavt oder getötet, nur weil sie Christen waren.
Allmählich kommt es zu immer stärkerem moslemischem Widerstand, wobei die türkischen, als kleine Truppenführer aufgestiegenen Militärs die arabischen Fürsten überspielen. Nachdem schon Nur ad-Din seit Mitte des 12. Jahrhunderts die christlichen Eindringlinge zurückgedrängt, 1149 Antiochia, 1154 kampflos Damaskus genommen hatte, trägt schließlich der Neffe eines seiner Unterführer, Al-Malik al-Nasir Salah ad-Din Yusuf, der Welt als Saladin bekannt, den »heiligen Krieg« siegreich weiter vor. »Das Verlangen nach dem heiligen Krieg«, schreibt der Biograph, Beamte und Vertraute Saladins, Baha ad-Din, der wohl das beste Gesamtbild des bedeutenden Mannes entwirft, »hielt sein Herz und alle seine Sinne gefangen, so daß er von nichts anderem als davon sprach und sich um nichts anderes als um Rüstung und Soldaten für den heiligen Krieg kümmerte«. 7
Sultan Salah ad-Din (1138–1193), der Begründer der kurdischen Dynastie der Ayyubiden, war ein Truppenführer des 1174 gestorbenen Zangiden Nuraddin von Damaskus, dessen Macht er usurpierte. Dabei soll Saladin die Liquidierung des alten Regimes nur durch den üblichen Terror, die Festigung seiner Macht durch Morde und Massaker gelungen sein, was er dadurch zu legitimieren suchte, daß er – ein Regierungsrezept übrigens schon Nuraddins, ja schon dessen Vaters – den Gedanken des »Heiligen Krieges« gegen die Kreuzfahrer aufgriff und als Vorkämpfer des Islam agierte. Ging es ihm wohl auch mehr um die Führung eines intendierten islamischen Großreiches als um den Islam an sich, war Saladin doch ein gläubiger Mohammedaner, ein hochbefähigter Herrscher und, alles in allem, sämtlichen Kreuzfahrerfürsten an moralischer Integrität weit überlegen. Daß ihn die Christen aufs äußerste verteufelten, ihn »Hund aus Babylon« nannten, »Sohn des Verderbens«, »bluttriefendes Untier« etc., versteht sich von selbst.
Zunächst suchte Saladin anscheinend eine gewisse Koexistenz auf Status quo-Basis mit den Invasoren. Jedenfalls schloß er 1180 und 1185 je einen Waffenstillstand mit den Lateinern, den er auch hielt, wie er immer, auch seinen Feinden, sein Wort gehalten hat, ganz im Unterschied zu den christlichen Häuptlingen, wie beispielsweise gleich zu Rainald von Châtillon, der sich um keinerlei Vereinbarungen kümmerte, Verträge rücksichtslos brach und noch kurz vor seiner Enthauptung durch Saladin diesem ins Gesicht höhnte: »So ist es eben Brauch unter den Königen, ich bin nur dem allgemein begangnen Pfad gefolgt.« 8 So war es in der Tat. Oder wurden nicht von katholischen Gewalthabern, weltlichen wie geistlichen, unentwegt Versprechen und Eide gebrochen, ganz wie sie es brauchten und offenbar doch völlig skrupellos?
»... wie Gazellen schossen wir sie ab« – Die Schlacht bei den Hörnern von Hattin
In einer Gegenoffensive schlägt Saladin, der kleine einäugige Kurde, die Ritter Christi immer weiter zurück. Sein Ziel ohne Zweifel: Jerusalem. Schon 1170 hatte er einen ersten Vorstoß auf das Königreich unternommen. 1185 war dort Balduin IV. gestorben, ein gekrönter aussätziger Jüngling, der sein Reich selbst als Todkranker in einer Weise verteidigt, die noch dem muslimischen Gegner Achtung abnötigt. Unter seinem Nachfolger aber, dem ebenso attraktiven wie unfähigen Guy de Lusignan, und seiner korrupten Hofclique bricht das Königreich Jerusalem in zwei Jahren zusammen.
Saladin rückt vor.
Ende Juni 1187 überquert er den Jordan. Seine ägyptische Flotte bedroht den christlichen Nachschub. Am 2. Juli 1187 erobert er in einem Blitzangriff Tiberias. Das Christenheer zieht unter Guy de Lusignan, der den Oberbefehl übernommen und sogar die Burgen von ihren Besatzungen entblößt hat, heran. Entgegen dem Rat des Grafen von Tripolis, Raimunds III., der richtig eine Falle Saladins erkennt und zudem den Wassermangel in der heißen Jahreszeit fürchtet, wird Guy vom Großmeister der Templer, Gerhard von Ridfort, sowie von Rainald von Châtillon zum alsbaldigen Angriff überredet. Darauf kommt es zu einer der fürchterlichsten Schlächtereien des Mittelalters bei den Hörnern von Hattin, westlich des Sees Genezareth, wo einst Jesus gerufen
Weitere Kostenlose Bücher