Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert
ihre Scham, wie viele Ernste wurden zum Gespött gemacht, Bewahrte hervorgezerrt, Freie in Besitz genommen, Begehrenswerte bis zur Erschöpfung gebraucht, anmutige Mädchen auf die Probe gestellt, Jungfrauen entjungfert, Anmaßende geschändet, Schöne mit roten Lippen ausgesaugt, Braune hingestreckt, Unbezähmbare gezähmt, Zufriedene zum Weinen gebracht!« 13
Saladin erwies sich nach seinen Siegen über die Christen als tolerant. Der neue ostchristliche Kaiser Isaak Angelos (später von seinem Bruder Alexios III. entthront und geblendet) beglückwünschte ihn zur Eroberung Jerusalems, ersuchte um Rückgabe der heiligen Stätten an die griechische Kirche und bekam sie. Saladin schützte das sogenannte Heilige Grab vor Brandstiftern und erlaubte allen unbewaffneten Christen dorthin weiter das Wallfahrten sowie freien Zugang. Er zerstörte die Grabeskirche nicht, wie seine Offiziere verlangten, sondern ließ in ihr und anderen Kirchen Gottesdienste abhalten, setzte den griechischen Klerus Wieder ein, duldete aber auch römisch-katholische Priester und zeigte sich ebenso großherzig den Juden gegenüber.
Im fränkischen Königreich Jerusalem (1099–1185) und im Königreich Akkon (1189–1291) kommt es zwischen dem christlichen und dem islamischen Adel zu freundschaftlichem Verkehr. Wir erfahren weiter, daß Sultan al-Malik al-Kamil das geschlagene Heer der Franken wie ein barmherziger Samariter betreut. »Die Männer, deren Eltern, Söhne, Töchter, Brüder und Schwestern wir mit vieler Qual getötet haben, deren Besitz wir weggenommen haben und die wir nackend aus ihren Wohnungen getrieben haben«, schreibt im frühen 13. Jahrhundert Oliverus Scholasticus (der selbst jahrelang am Niederrhein das Kreuz gepredigt, sogar eine Belagerungsmaschine konstruiert hat, später Bischof und Kardinal geworden ist), »sie haben uns, als wir vor Hunger am Sterben waren, mit ihrer eigenen Speise erquickt und uns mit vielen Wohltaten gütig behandelt, während wir doch in ihre Herrschaft und Gewalt gegeben waren.« Ja, wir hören, daß auch in mehreren Moscheen Akkons christliche Altäre eingerichtet wurden für die Gottesdienste der Christen.
Nahezu einmütig rühmen die lateinischen Chronisten jetzt Saladins Ritterlichkeit, Großmut, Humanität. Selbst die einheimischen Christen fühlen sich befreit. Doch die abendländische Kirche hat Saladins Gegenoffensive nichts anderes entgegenzustellen als einen neuen Kreuzzug, den sogenannten Dritten (1189–1192). Und die Initiative ging wieder von den Stellvertretern Christi aus, wie sich die römischen Hierarchen mittlerweile nannten. 14
Die Päpste blasen zum Angriff
Schon Alexander III. und Lucius III. hatten zum Kreuzzug aufgerufen, freilich ohne Erfolg, trotz Barbarossas Versprechen, mit der Kirche in Deutschland dafür zu werben. Auch Bischof Wilhelm von Tyrus, einer der bekanntesten Geschichtsschreiber der Kreuzzüge, der berüchtigte Patriarch von Jerusalem und die Meister beider Ritterorden machten ja eine Bitt- und Propagandareise durch Europa, beschworen die Herrscher, taten Fußfälle vor ihnen, rührten jedermann zu Tränen. Doch weder der Staufer ließ sich persönlich binden noch der englische König Heinrich II., dessen Reichstag ihm beflissen riet, lieber für sein eigenes Land zu sorgen. Und da er zu Hause blieb, wollte – vorsichtshalber- auch Philipp II., König von Frankreich, zu Hause bleiben. Denn wer wußte schon, ob, während der eine das Kreuz nahm, der andere nicht sein Land nahm.
Lucius-Nachfolger Urban III. (1185–1187), wegen der papstfeindlichen Römer in Verona residierend, war zwar einerseits ganz in seinen Kampf mit Friedrich verstrickt – in den Streit um die Krönung Heinrichs zum Mitkaiser, in den Streit mit dem Patriarchen von Aquileia, in den Trierer Bistumsstreit, wobei er, der Papst, seinen Eid brach und am 1. Juni 1186 den vom Kaiser abgelehnten Folmar zum Erzbischof weihte, um von weiteren Zwisten und Streitpunkten besonders finanzieller Art (Regalien- und Spolienforderungen) zu schweigen. Doch ungeachtet seines schroffen, von peinlichen Schwankungen nicht freien Konfrontationskurses gegenüber Friedrich und ungeachtet aller kleineren Querelen mit anderen gekrönten Christenhäuptern, hegte Urban III. ebenfalls Kreuzzugswünsche, starb aber nach der Eroberung Jerusalems an einem Schlaganfall. Und Urbans Nachfolger, der schon hochbejahrte einstige Bologneser Rechtsgelehrte Alberto de Morra, Gregor VIII. (21. 10. – 17. 12. 1187), war
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