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Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 06 - Das 11 und 12 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
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haben soll: »Liebet euere Feinde, tut Gutes denen, die euch hassen ...«
    Die Christen, wohl knapp 20000 Mann, denen etwa ebensoviele Sarazenen gegenüberstehen, hatten zwar unter der Obhut der Bischöfe von Akkon und Lydda das »Heilige Kreuz« aus Jerusalem mitgebracht, waren jedoch erschöpft vom Anmarsch in der öden Gebirgsgegend und in der Sandwüste dem Durst ausgeliefert. Sie drängten im Kampf, den Saladin erst bei Anbruch der Hitze begann, in Richtung Tiberias, um ans Wasser zu gelangen, »gleich Hunden mit durstig heraushängenden Zungen ...« Aber der Sultan, dessen Bogenschützen, von siebzig mit Pfeilen beladenen Kamelen versorgt, unaufhörlich die Gegner mit Geschossen überschütteten – »wie Gazellen schossen wir sie ab ...« –, verlegte ihnen den Weg und verdeckte die Brunnen. Zudem entzündeten die Sarazenen das trockene Gras des Bodens, auf dem das Kreuzheer kämpfte, und der Wind erstickte die Christen in Feuer und Rauch. Guy hielt das Kreuz hoch. Aber Ungezählte ergaben sich mit offenem Schlund. Die meisten wurden getötet, die andern gefangengenommen, nur etwa 200 entkamen. »Es gab so viele Tote und Gefangene unter ihnen«, formuliert der große zeitgenössische Historiker Ibn al-Atir, »daß wer die Gefallenen sah, nicht glaubte, sie hätten einen einzigen gefangen, und wer die Gefangenen sah, nicht glaubte, sie hätten einen einzigen getötet.« Die Sklavenmärkte erlebten eine Schwemme und Preisstürze sondergleichen: drei Denare ein Christ.
    »Sie suchten Zuflucht auf dem Hügel von Hattin«, schreibt der Chronist Imad ad-Din, Saladins Sekretär, »damit er sie vor der Sintflut des Unterganges bewahre, und Hattin wurde umgeben von den Bannern der Zerstörung. Die Klingen der Schwerter saugten ihnen das Leben aus und verstreuten sie über die Hügel, die Pfeile beschossen sie, wildes Todeslos schändete sie, das Unglück zerrieb sie, die Niederlage zermalmte sie ... Ich sah die Köpfe fliegen und die Augen glasig werden; ich sah sie daliegen nackt oder in zerrissenen Kleidern, mit gespaltenen Knochen und durchschnittener Kehle, mit gebrochenen Lenden und abgeschlagenen Gliedern, mit ausgestochenen Augen und aufgeschlitzten Leibern, mit zersprungenen Lippen und mit zertrümmerter Stirn. Wie Steine unter Steinen lagen sie da, wie man's noch niemals gesehen.« 9
    Unter den Gefangenen, »die in den Fesseln torkelten wie Betrunkene«, sind auch der letzte König von Jerusalem, Guy de Lusignan, der Templermeister und Rainald von Châtillon, dem Saladin, in Erfüllung eines zweimaligen Schwurs, eigenhändig den Kopf abschlägt, allerdings erst, als er den Übertritt zum Islam verweigert. Geköpft werden auch noch mehr als zweihundert Hospitaliter und Tempelritter, Rainalds engste Komplizen. Nur der Großmeister bleibt, wie das Großgangstertum traditionell, am Leben.
    Gelehrte und Fromme vollbrachten das blutige Werk, Asketen; »jeder bat, ob er nicht einen von ihnen umbringen dürfe, zog das Schwert und krempelte die Ärmel auf. Der Sultan saß mit frohem Gesicht dabei, während die Ungläubigen« – hier, zur Abwechslung, mal die Christen – »finster blickten ... Es gab solche, die schnitten und sauber hieben und Dank ernteten; solche, die sich weigerten und fehlten und entschuldigt wurden; solche, die Lachen erregten – andere traten an ihre Stelle. Ich sah solche, die laut lachten und mordeten, die sprachen und handelten: wie viele Versprechungen erfüllten sie, wieviel Lob erwarben sie, ewigen Lohn sicherten sie sich mit dem vergossenen Blut, wie viele fromme Werke vollbrachten sie mit den Hälsen, die sie durchhieben!« Religiöser Schwachsinn, Fanatismus der anderen Seite. Eine schlimme Schmach in Sultan Saladins Leben. Freilich: – »so schaffte er der Bevölkerung Erleichterung von ihnen«. Und lag seinerseits in der Ebene von Tiberias »wie der Löwe in der Wüste, wie der Mond in der Fülle seines Glanzes«. 10
    Erbeutet wurde auch das im Massengemetzel mit dem Bischof von Akkon gefallene »Wahre Kreuz«. »Sie glauben tatsächlich, es bestehe aus dem Holz, an dem, wie sie meinen, der gekreuzigt wurde, den sie anbeten«, schreibt Imad ad-Din. »Es scheint, nachdem sie vom Verlust des Kreuzes erfahren hatten, entrann keiner dem für sie unglückseligen Tage: sie gingen an Tod und Gefangenschaft zugrunde ...« Das »Wahre Kreuz« verscholl ... Aber Pfaffenpropaganda ließ es sozusagen wiederauferstehen durch die »fromme« Lüge, man habe bei Hattin nur das halbe Kreuz in die

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