Kriminalgeschichte des Christentums Band 07 - Das 13 und 14 Jahrhundert
flammten Unruhen auf, rachedurstige Exulanten, verbannte schwarze Guelfen kehrten, von dem »Friedensbringer« begünstigt, zurück, stahlen, plünderten, brannten die Häuser der weißen Guelfen nieder, feierten Mordorgien, »es regnet Verbannungs- und Todesurteile« (Bezzola).
Dante Alighieri befindet sich damals, 1301, mit einer Gesandtschaft bei Papst Bonifaz in Rom. Auf der Rückreise im nächsten Jahr wird er am 27. Januar verbannt, am 10. März in Abwesenheit zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt. Und ein Jahrzehnt später verhängt Florenz über ihn zum zweitenmal die Todesstrafe. Zwanzig Jahre weilt der vielleicht größte Dichter des europäischen Mittelalters in der Verbannung und sieht die Vaterstadt nie wieder.
An den französischen König Philipp hatte Bonifaz 1301, wenige Wochen nach dem Eintreffen des Karl Valois in Florenz, eine Bulle gerichtet, die begann: »Höre, mein teuerster Sohn, die Befehle des Vaters!« Ansprüche des angeblich höchsten Priesterkönigs an seinen vermeintlichen Vasallen, der indes am 11. Februar 1302, in Paris unter Trompetengeschmetter verkündet, die Bulle verbrennen läßt. An diktatorisches Durchgreifen gewöhnt, machte er sofort die Grenzen dicht und ließ fast zwei Jahre lang weder Geld noch Waren nach Italien. Neben der Ausfuhrsperre verfügt er die Exmission kurialer Nuntien und Kollektoren. Die Bäume des Papstes wuchsen nicht in den Himmel. Seine Absichten auf die Toskana scheiterten. Aber seine Politik hatte dort noch viele jahrelange Kämpfe zur Folge.
Und auch in Neapel, in Sizilien mußte Bonifaz einlenken. Im Friedensvertrag von Caltabellotta erkannte er, wenn auch widerstrebend, am 29. August 1302 den Status quo, die Unabhängigkeit Siziliens unter Friedrich von Aragón, an und annullierte Exkommunikationen und Interdikt. Weniger ein Kompromiß als eine Niederlage für den stolzen Papst. Doch sollte es viel schlimmer für ihn kommen. 19
König Philipp der Schöne, »Heiliges Jahr« und Bulle »Unam sanctam«
Das Debakel Bonifaz' VIII. wurde durch den französischen König Philipp IV. le Bel, der Schöne (1285–1314), heraufbeschworen; und wie sehr auch die veränderten Zeitläufte mitspielten, im Grunde ging es auch da wieder vor allem um Geld.
König Philipp brauchte es, brauchte viel Geld, um den großen Konflikt mit Flandern, den Krieg gegen England (1294–1303), gleichsam ein Vorspiel des Hundertjährigen Krieges (1337–1453), finanzieren zu können. Seine italienischen Sponsoren, seine Münzmanipulationen, Münzverfälschungen, alle Übergriffe auf Juden und Lombarden reichten nicht. Doch als er 1294 den französischen Klerus mit einer Sondersteuer belegte, suchte Bonifaz, als Kardinal ein »Gallicus«, auch als Papst erst noch franzosenfreundlich, die Abgabe durch seine Dekretale vom 25. Februar 1296 »Clericis laicos« zu unterbinden. Im aufreizenden Ton (und mit der blamablen Feststellung beginnend: »Daß die Laien Feinde des Klerus sind, bezeugt in hohem Maß das Altertum, und auch die Erfahrungen der Gegenwart lehren es deutlich«) verbietet der Erlaß allen Laien, an sich nichts Neues, unter schweren Kirchenstrafen nicht nur jedwede Besteuerung des Klerus, nicht nur die Erhebung irgendwelcher Lasten ohne Einverständnis des sogenannten Apostolischen Stuhls, sondern er untersagt auch deren Leistung und Annahme.
In England hatte die Bulle, die der gesamten Christenheit galt, Erfolg. Der Klerus stellte sich auf die Seite des Papstes, und auch die englischen Laien protestierten gegen Steuern, Fronen, Requisitionen von Lebensmitteln. So gab Eduard I., einst im Heiligen Land fast Märtyrer geworden, nolens volens nach. In Frankreich aber ergriffen die Priester die Partei des Königs, da sie mehr von ihm abhingen. Philipp rächte sich massiv am Papst durch ein Exportverbot von Geld, von Preziosen, Naturalien und Kriegsbedarf sowie durch Ausweisung fremdländischer Negozianten: ein schwerer Schlag für Bonifaz, der diese Einkünfte und den Handel brauchte. Notgedrungen machte er einen Rückzieher, schränkte Verbote ein, hob dieses auf, ließ jenes zu und sprach sogar den von Philipp verehrten Großvater Ludwig IX. am 11. August 1297 heilig, nachdem auch der König seine antipäpstlichen Beschlüsse außer Kraft gesetzt hatte. 20
Die erste Runde aber war für Bonifaz voll verloren. Doch vorerst dauerte das Einvernehmen beider fort, ja der Römer strebte dem äußeren Höhepunkt seines Pontifikates zu, dem Heiligen Jahr 1300. Es ist
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