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Kriminalgeschichte des Christentums Band 07 - Das 13 und 14 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 07 - Das 13 und 14 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 07 - Das 13 und 14 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
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vil zeichene ...« Und unmittelbar darauf: »Darumme worden die Juden alle irslagen.« 42
    So auch in Röttingen an der Tauber. Am 20. April 1298 bezichtigte man die dortigen Juden eines Hostienfrevels. Sie hatten den hl. Leib des Herrn zerfetzt und in einem Mörser zerstampft, worauf er zu bluten und Wunder zu wirken begann – und noch im 14. Jahrhundert Teile davon auswärtige Klöster als Reliquie bekamen.
    Nun blutete aber nicht nur die Hostie, sondern auch die Judenschar Röttingens. Unter Führung eines Adligen, eines »König Rindfleisch« (nobilis Rintfleusch, manchmal auch Metzger genannt, weniger Name als Menetekel), wurden zunächst einmal die Juden des Ortes erschlagen, 21 Menschen. Dann zog rex Rindfleisch, der sich selbstverständlich auf die »göttliche Weisung« berufen konnte, alle Juden (also nicht etwa nur einzelne, nur »Schuldige«), nein, alle zu foltern und zu vernichten, mit seinen Schlächtern hinaus ins Land. Vorneweg ein großes Kreuz, das die Christen zur Rache provozieren, die Juden schutzlos machen sollte, was sie ohnedies waren, überfielen und metzelten sie diese in weit über hundert Orten.
    Zum Beispiel, um nur einige fränkische zu nennen, wobei die Zahlen der Opfer meist eher zu niedrig sind: in Ebermannstadt 12; in Eggolsheim 12; in Hollfeld 17; in Höchstadt 30; in Forchheim 83; in Bamberg, dessen Bischöfe »immer eine judenfeindliche Politik betrieben« (Morlinghaus), 126; in Neustadt an der Aisch 71 Juden; in Windsheim 57; in Mergentheim 17; in Tauberbischofsheim 131; in Ochsenfurt 34; in Kitzingen 15; in Iphofen 25; in Nürnberg 628; in Hürnheim 25; in Nördlingen 8; in Rothenburg ob der Tauber fast 500; in Würzburg 900.
    Ortsbischof Manegold von Neuenburg (1287–1303) ließ hier die Juden am 23. Juli dem wütenden Christenmob ans Messer liefern – »unde man seite«, wie die »Sächsische Weltchronik. Thüringische Fortsetzung« meldet, »daz dit die sache were: man hette unsis herren licham funden zu Wirzeburg in ire schule, unde hetten die Joden unsis herren licham mit meßeren unde mit olen durchstochen unde martirte unsin herren andirweide. Darumme worden si alle irslagen.« »In ihrer Intensität und in ihren Folgen ... übertrafen die ›Rintfleisch-Pogrome‹ von 1298 deutlich die Verfolgungen im Umkreis des ersten und zweiten Kreuzzuges ... Die Geistlichkeit scheint dem Treiben jedenfalls keinen entschiedenen Widerstand entgegengesetzt zu haben, wie ihre Haltung zu den Blutwundern von Lauda, Iphofen, Möckmühl, Weikersheim und Würzburg erweist« (Arnold). 43
    So wurden in 146 Gemeinden Thüringens, Hessens, Frankens, der Oberpfalz und Schwabens die Juden heimgesucht und in manchen gänzlich ausgelöscht – insgesamt etwa 5000 Menschen. Zweifellos haben dabei nicht nur »religiöse« Gründe eine Rolle gespielt, sondern, zumindest bei vielen verschuldeten Christen, auch handfeste materielle. Der böhmische Zisterzienserabt und Geschichtsschreiber Peter von Zittau (gest. 1339) hält denn auch die Meinung fest, »daß die Tat aus Lust am Rauben von Geld geschehen sei« (opinantur tamen alii, quod factum fuerit amore pecuniam rapiendi). 44
    Einige Jahrzehnte später, ab 1336, kam es zu den Armleder-Verfolgungen, die wieder – Tradition verpflichtet – von Röttingen ausgingen und wieder unter einem zum König Gewählten, dem Ritter Arnold dem Jüngeren von Uissigheim (bei Wertheim). Im Sommer 1336 sticht er zwischen Tauber und Main mit seiner Christenhorde insgesamt 1500 Juden nieder. Zwar wird »König Armleder« schon am 14. November durch das Schwert liquidiert, bereits auf seiner Grabplatte in der Kirche von Uissigheim aber »der selige Arnold« genannt und sein Grab »dank seiner Verdienste um den Glauben durch viele Wunder berühmt«. Es wurde »bis ins 18. Jahrhundert insbesondere von den Wallfahrern nach Walldürn besucht, die von Fulda kommend hier Station machten. Der vom Grabstein abgeschabte Sand galt als Heilmittel bei Viehkrankheiten« (Arnold).
    Und schon ein Jahr nach seinem Tod bricht weiteres Unheil über die Juden herein, werden als »Blutstädte« bekannt Aschaffenburg und Babenhausen, Büdingen und Friedberg, Andernach, Chochem, Kaub, Koblenz u.v.a. Denn die Pogrome, in denen man ebenso eine Art Fortsetzung der Kreuzzugsjudenjagden erkannte wie Vorläufer des großen Bauernkrieges, griffen jetzt bis nach Hessen und an den Mittel-, den Oberrhein über, auf die Bistümer Trier, Straßburg, Basel. Zwei weitere »König Armleder«-Figuren

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