Kriminalgeschichte des Christentums Band 07 - Das 13 und 14 Jahrhundert
die nicht konvertierten, aus. Waren es auch nicht, wie zeitgenössische Chronisten schätzten, 16000 Menschen, mehrere tausend flohen nun über das Meer. 39
Die mittelalterlichen Judenverfolgungen in Deutschland
Die Judenmassaker begannen in Deutschland mit dem Ersten Kreuzzug (s. dazu »Frühe Präludien der Nazizeit«, VI 362 ff.), wenn da auch vor allem nordfranzösische und flandrische Kreuzfahrer die Hauptmörder waren. Doch seitdem gab es keine Kreuzzugsvorbereitung ohne antijüdische Exzesse, wurde die Lage der Juden immer schlimmer, die ihnen feindlichen Gesetze, die blutigen Randale häuften sich quer durch ganz Europa von Spanien bis Polen. Zwangstaufen wurden fast die Regel, obwohl viele Juden die Verbannung oder den Tod vorzogen – leider.
Auch der Zweite Kreuzzug (VI 471 ff.) wird 1147 mit Judenabstechungen besonders in den großen und reichen Judengemeinden am Rhein eröffnet. Der Abt von Cluny, Petrus Venerabilis (der Ehrwürdige), Verfasser eines Buches »Gegen die Juden«, und der fanatische deutsche Zisterzienser Radulf hetzten zugleich gegen Juden wie Heiden. In allen größeren Städten, wo Radulf predigt, in Köln, Mainz, Worms, Speyer, Straßburg kommt es zu Übergriffen, wenn auch die Opfer deutlich geringer sind als beim Ersten Kreuzzug. Am meisten aber massakrieren die »Pilger« am 24. Februar 1147 die Juden Würzburgs, Frauen und Kinder, alt und jung, auch drei Rabbiner. »Diese ganze Zeit war krank von religiösem Haß« (Schopen). 40
Mag auch auf deutschem Boden das Zusammenleben mit den Juden länger als in Spanien oder Frankreich verhältnismäßig moderat oder doch weniger gestört gewesen sein, mag da die Judenschaft einen beschränkten Schutz durch die kaiserlichen Regierungen genossen haben, allmählich wächst die Welle der Gewalt auch hier, scheinen die Deutschen in ihrer gründlichen Art alle früheren Abschlachtungen noch zu übertreffen.
Zunächst flammen immer wieder kleinere oder größere Verfolgungen auf, so in Boppard 1179, in Wien 1181, Speyer 1195, Halle 1205, Erfurt 1221. In Norddeutschland, wo Lübeck während des ganzen Mittelalters innerhalb seines Stadtgebietes keine Juden toleriert und es einige jüdische Siedlungen erst später gibt, wird dennoch Mecklenburg 1225 zum Schauplatz von Ausschreitungen.
In den Jahren 1235/1236 kommt es zu Ritualmordklagen und Judennachstellungen in Lauda, Fulda, Tauberbischofsheim. In Kitzingen tötet man am 5. August 1243 sechs Juden und zwei Jüdinnen, zwei Männer und eine Frau werden gefoltert und gerädert. Doch ufern Haßhaltung, Beutegier, Pogromstimmungen erst gegen Ende des 13. Jahrhunderts aus, erschüttern antijüdische Aktionen blutigster Art Franken und seine Nachbarländer, um eine »Hostienschändung« zu rächen – eine erlogene Hostienschändung und Tausende von erschlagenen Juden! 41
Der Vorwurf des Hostienfrevels, noch nicht lange aufgekommen, tritt allmählich häufiger neben den des Ritualmords, wozu seit den zwanziger Jahren des 14. Jahrhunderts noch der Vorwurf der Brunnenvergiftung tritt.
Die Hostienschändung – bei der nicht nur Blut floß, sondern gelegentlich einem Ofen, in dem man Hostien verbrannt, auch weiße Tauben und Engel entschwebten – hatte einen Vorläufer in blutenden Christusbildern. Oft nacherzählt und nachgebildet wurde ein von Gregor von Tours (IV Register) berichtetes Bildwunder, wonach ein Gemälde Christi, von einem Juden des Nachts aus einer Kirche entwendet und durchbohrt, so zu bluten begann, daß die gräßlichen Spuren anderntags die Christen zum Haus des Schänders führten, den sie gleich steinigten.
Von solchen, von Juden mißhandelten Christusbildern oder Kruzifixen, deren Blut man im 12. Jahrhundert in England ebenso vorzeigen konnte wie im Lateran in Rom, war wohl der Weg zu blutenden Hostien nicht weit. Seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert jedenfalls geißelt man in vielen Traktätchen und auf vielen Kanzeln verbrecherische Juden, die konsekrierte Hostien kauften oder stahlen und aufs scheußlichste entweihten. Was Wunder, wenn der Leib des Herrn danach entsetzlich zu bluten und das gute Christenvolk die jüdischen Frevler immer von neuem zusammenzuschlagen begann!
Durch Jahrhunderte nahmen von solchen Histörchen, ebenso infam wie schwachsinnig, die meisten Pogrome ihren Ausgang. Dabei gehören Gott und das Wunder immer dazu – sonst liefe ja die Sache auf ein ganz gemeines Verbrechen, auf ordinären Raub und Totschlag hinaus! Ergo liest man oft: »da tet got
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