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Kriminalgeschichte des Christentums Band 07 - Das 13 und 14 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 07 - Das 13 und 14 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 07 - Das 13 und 14 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
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kopfloses Volk). Es war dies jene schon 1260 von Perugia ausgegangene, wie im Flug sich verbreitende Geißler- oder Flegler-Bewegung, die jetzt eben auch zur Pestzeit 1348 durch fast ganz Europa sich peitschte: Männer und Frauen, Adlige und Bauern, selbst, obwohl bald mehr, bald weniger verketzert; Kleriker und Mönche. Sie alle straften sich für ihre und der Menschheit Sünden, auf daß, so sangen sie in einem ihrer Lieder, »got daz grozze sterben wend«. 1414/1416 verbrannte man mehrere hundert von ihnen in Nordostdeutschland.
    Nächst dem Allerhöchsten hatte natürlich die Judenschaft ihre Hände im Spiel, indem sie die Brunnen vergiftete, »um die Christenwelt auszurotten«, schreibt der Theologe Konrad von Megenberg (gest. 1374) nicht einmal unkritisch. »Man fand in vielen Brunnen mit Gift gefüllte Säckchen vor, und es wurden unzählig viele Juden erschlagen ... Wahrhaftig ich weiß nicht, ob einige Juden das gethan haben.«
    In Chillon aber gestand der Jude Balavieny, Arzt und Chirurg, unter der Folter, in Südfrankreich hätten seine Glaubensgenossen ein giftiges Gebräu aus Spinnen, Fröschen, getrockneten Schlangen, Menschenfleisch, aus Christenherzen und geweihten Hostien an diverse jüdische Gemeinden geliefert und damit die Brunnen verseucht. Und wie man darauf in Chillon die ganze Judenschaft mit ausgeklügelter katholischer Grausamkeit massakrierte, so folgten überall, wo das Märchen von Chillon hingelangte, ähnliche Metzeleien. Der Wahn, denn das Geglaubte war fast immer fiktiv, breitete sich mit der Pest von Spanien und Südfrankreich über die Schweiz und Deutschland bis Polen aus. Dabei folgte er in Frankreich mehr dem Auftreten der Epidemie, in Deutschland ging er ihr eher voraus, eine Mixtur aus Pönalisierung und Prophylaxe. Allerdings: in mohammedanischen und mongolischen Ländern, wo die Pest gleichfalls wütete, wurden die Juden nicht beschuldigt! 49 Unter rechtgläubigen Himmelsstrichen aber kam es zu wüsten Exzessen.
    Dabei hatten die Pestpogrome in Spanien und Südfrankreich eine gewisse Signalwirkung für Deutschland, das heißt man liquidierte hier die Juden gewöhnlich, noch bevor die Pest zur Stelle war, eben prophylaktisch. Und prophylaktisch auch waren die Bedrohten manchmal Christen geworden, so daß man in Basel anscheinend nur mehr konvertierte Hebräer liquidieren konnte. Jedenfalls wurde die ganze jüdische Bevölkerung der Stadt auf einer Sandbank im Rhein lebendig verbrannt, wodurch sich die Mörder, ganz nebenbei, auch schuldenfrei machten. In Freiburg im Breisgau nahm man nur einige sehr junge Juden von der Verbrennung aus, um sie zu Christenkindern zu machen. Die dortige Synagoge fungierte danach als Brauhaus, und die übrige Hinterlassenschaft beschwor offenbar üble Zwiste der Killer herauf. 50
    In Straßburg war sich, trotz Bedenken mancher, schließlich alles über die Beseitigung der Juden einig, Stadtväter, Stände, Adel, Geistlichkeit. Im Januar 1349 erklärte man die Verhaßten für vogelfrei, am 9. Februar verlangten die Zünfte unter Führung der Metzger ihren Anteil an der Beute aus der Judengasse. Und noch auf dem Gang zum Scheiterhaufen riß das gieriggeile Christenpack den elenden Opfern die Kleider vom Leib, um zu Geld zu kommen. »An dem fritage ving man die Juden, an dem samestage brante man die Juden«, meldet der Chronist lakonisch. Und sinnigerweise verbrannte man alle, alt und jung, Männer und Frauen, auch die reichen, denen man Tage zuvor gegen Geld noch einen sicheren Platz vor der Stadt versprochen, verbrannte man 2000 Juden gleich auf dem jüdischen Friedhof. Doch ehe man sie in den Tod trieb, taufte man noch so manches Kind vor ihren Augen. Wer aus den Flammen sprang, wurde erschlagen. Unschwer erkannte der Straßburger Chronist Fritsche Closener (gest. um 1372) das Geld als das eigentliche Gift, das die Juden tötete. Und Jacob Twinger von Königshofen ergänzt: »Wären sie arm gewesen und die Adeligen nicht bei ihnen verschuldet, sie wären nicht verbrannt worden.«
    In Worms, in Mainz, in Köln stürzten sich viele Juden selbst ins Feuer. Allein von Worms führen die Memorbücher fast 600 Opfer an – und Kaiser Karl IV. überließ den Christen gnädig alles, was bisher jüdischer Besitz gewesen. In Köln teilten Stadt und Erzbischof die Beute. 51
    In Nürnberg, wo man zwischen dem 5. und 7. Dezember 1349 über die Juden herfiel – »Die Juden wurden verprant an sant Niclos abent« –, erschlug und verbrannte man insgesamt 562

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