Kriminalgeschichte des Christentums Band 07 - Das 13 und 14 Jahrhundert
verfaßt und die Anwendung der Folter erlaubt, er fordert bereits ein Jahr nach seinem Pontifikatsbeginn in dem bezeichnend einsetzenden Erlaß »Impia Judaeorum Perfidia« eine weitere Bücherverbrennung. 1247 erlaubt er Juden zwar den Besitz des Talmud, ordnet zugleich aber dessen Zensur an und läßt am 15. Mai 1248 durch seinen Legaten Odo von Tusculum das heilige Buch der Juden endgültig verurteilen und dessen Verbrennung befehlen. Darauf erfolgen in den nächsten Jahrzehnten allein in Frankreich vier weitere Talmudverbrennungen; in Europa ziehen sie sich bis 1757 hin. »Nahtlos«, schreibt das Lexikon für Theologie und Kirche im Jahre 2000 christlicher Zeitrechnung, »geht von hier die Entwicklung weiter zu antijüdischen Kampf-Schriften ... und den Hetz-Schriften der nationalsozialistischen Zeit.« 55
Selbst unter jenen Päpsten also, die gelegentlich, aus welchen Gründen immer, für die Juden eintreten, gibt es keinen einzigen Philosemiten. Vielmehr überwiegt auch bei ihnen die judenfeindliche Haltung enorm. Die überwältigende Mehrzahl der mittelalterlichen Päpste ist nun einmal, wie die gesamte christliche Kirche dieser ein Jahrtausend umfassenden Epoche, durchaus judenfeindlich. Und es sind gerade die kirchlichen Führer, sind insbesondere auch die großen Laterankonzilien, die die Kluft zwischen Christen und Juden erweitern, vertiefen, die den Antisemitismus, den Fanatismus schüren, die Europa erschüttern, und zwar »durch Behauptungen, die, wie der höhere Klerus genau wußte, falsch waren, für die er aber selbst den Weg bereitet hatte. Als die Lawine einmal ins Rollen gekommen war, lag es nicht mehr in der Macht des Papstes oder der Bischöfe, sie in ihrem schrecklichen Lauf aufzuhalten« (Abba Eban).
Im beginnenden Spätmittelalter, in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, wächst die Judenfeindschaft noch, tragen vor allem die Heiligen Väter wesentlich dazu bei, Innozenz III., Honorius III., Gregor IV. Der Name jedes dieser Päpste, schreibt G. Kisch, »verrät ein ganzes antijüdisches Programm«. Und sie sind natürlich nicht die Ausnahme, sind die Regel. Fast alle Hierarchen des Mittelalters denken im Grunde wie Nikolaus IV., der erste Franziskanerpapst, dessen antijüdische Bulle von 1288 die Inquisitoren, die geistlichen und die weltlichen Potentaten auffordert, gegen die Juden vorzugehen und gegen alle, die Juden verteidigen oder begünstigen. »Bestraft sie, wie sie es verdienen«.
Ähnlich judenfeindlich aber sind auch die meisten Kaiser, Könige, Fürsten orientiert, die ja ebenso wie die ganze Christenheit dauernden judenfeindlichen Parolen ausgesetzt und tief davon geprägt waren. Und gerade aus der kirchlichen Lehre und Gesetzgebung, der theologischen Servitus Judaeorum, ging dann jenes Rechtsinstitut hervor, das die Bezeichnung Kammerknechtschaft bekam.
Insbesondere die deutschen Monarchen hatten damit die Verpflichtung übernommen, die Juden zu schützen, gewiß nicht in uneigennütziger Weise. Und warum auch? Sie dachten um kein Jota besser über jene als die Päpste und der ganze christliche Klerus. Verfügte doch selbst der aufgeklärteste Kopf seines Jahrhunderts, Kaiser Friedrich II., 1237 in seinem Privilegium für die Stadt Wien: »Getreu den Pflichten eines katholischen Fürsten schließen wir die Juden von öffentlichen Ämtern aus, damit sie nicht die Amtsgewalt zur Bedrückung der Christen mißbrauchen; denn die kaiserliche Machtfülle hat von alters her zur Bestrafung des jüdischen Verbrechens den Juden immerwährende Knechtschaft auferlegt.«
Allerdings war es nicht die kaiserliche Machtfülle, sondern die kirchliche. Von der ewigen Knechtschaft der Juden, der Servitus Judaeorum, hatte schon Augustin gesprochen, vielleicht mehr im theologisch-spirituellen Sinn, wenn auch der Satz »Der Jude ist der Sklave des Christen« nicht gerade dafür spricht. Und Thomas von Aquin, für den, wie seine »Summa Theologiae« lehrt (die als Eingebung des Heiligen Geistes galt und 1879 Leo XIII. zur stets maßgebenden Philosophie, philosophia perennis, der Kirche erklärte), »die Juden Sklaven der Kirche sind«, Thomas versteht ihre Knechtschaft eindeutig materiell. »Da die Juden ewiger Knechtschaft überliefert sind, können die Fürsten über deren irdische Güter wie über ihr Eigentum verfügen.« 56
Von dieser generösen Erlaubnis des Aquinaten machten die Fürsten denn auch ausgiebig Gebrauch, obwohl sie sich natürlich schon früher allerlei gestattet hatten,
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