Kriminalgeschichte des Christentums Band 07 - Das 13 und 14 Jahrhundert
von Ungarn geheiratet. Das konnte Innozenz »guten Gewissens« (salva conscientia) nicht unverhandelt lassen. Als Otakar aber, vom Papst bearbeitet und mit Versprechungen gelockt, Ende 1202 zur Gegenpartei übertritt und sich von Otto am 24. August 1203 in Merseburg (noch einmal) krönen läßt, beruhigt sich das Gewissen des Heiligen Vaters wieder, um erst im Herbst 1204 erneut aufzuschrecken, als der riskant agierende König erneut die Seite gewechselt, weil man ihm nicht alle Wünsche erfüllt hatte. Dann freilich, abermals für Innozenz gewonnen, erlaubt es dessen Gewissen, dem Böhmen die Aufhebung der Exkommunikation anzubieten. Doch als er 1210 von Otto abfallen sollte, schlug Innozenz' Gewissen wieder, und auch der Prozeß kam wieder ins Rollen. 30
Der Papst konnte sich bald nach Beginn des neuen Jahrhunderts seinem Ziel nahe sehen, ja als Sieger fühlen, stand Otto doch 1203 auf dem Höhepunkt seiner Macht. In Staub und Asche, schrieb er später an Innozenz, hätte sein Königtum sich aufgelöst, »wenn nicht Eure Hand oder vielmehr die Autorität des apostolischen Stuhles die Wagschale zu meinen Gunsten gesenkt hätte«.
Das war nicht zuviel gesagt.
Die Verbündeten des Römers hielten Philipp mit trügerischen Verhandlungen, zuletzt in Eger, bis zum Frühjahr 1203 hin, um die große Welfenheerfahrt optimal vorzubereiten. Kardinallegat Guido von Präneste hatte zuvor die Böhmen zum Krieg begeistert, der Heilige Vater selbst um Verstärkung ihrer Soldateska bei König Emmerich von Ungarn gebeten. Schließlich rückten gegen den im Mai in Thüringen, in das zentrale, für beide Parteien gleich wichtige Land, mit etwa 2000 Rittern und Tausenden von Bogenschützen eingefallenen und es furchtbar verheerenden Philipp vor: die Welfen von Norden, die »Ungheren, Valewen unte Behemen«, der Böhmenkönig und sein Bruder Markgraf Heinrich von Mähren, vom Süden her, angeblich, sehr übertrieben, mit 40000, ja 60000 Mann, jedenfalls ungeheuere Scharen, die Otto die Überlegenheit sicherten, und vor denen Philipp und der ihm besonders beistehende Erzbischof von Mainz flohen, noch bevor Otto IV. »und mit im Guido dher cardinal« (Braunschweigische Reimchronik), auf dem Kriegsschauplatz erschienen.
Sechzehn Klöster und 350 Pfarreien sollen von den – doch seit langem gut katholischen – Böhmen samt Hilfsvölkern in Thüringen vernichtet, die Kirchen geplündert, die Soutanen der Priester als Bekleidung der Invasoren, die Altartücher als Pferdedecken verwendet, die Frauen zu eindeutigen Zwecken an den Steigbügeln mit fortgeschleift, die Greuel aber noch über das übliche Christenmaß hinausgegangen sein; während die Räuber auf dem Rückweg, in ihrer unersättlichen Gier zu plündern, sich zersplitterten und so, beinah bequem, oft noch geschlachtet worden sind. Otto IV. aber hatte den Gipfel seines Triumphes erklommen, das Territorium, wo man ihn als König anerkannte, sich fast verdoppelt. 31
Doch da schlug die Geschichte wieder um.
Dieselben Fürsten, die gerade zu Otto übergelaufen waren, fielen schon 1204 – als man erneut in Thüringen aufeinandertraf, jetzt aber der Böhme ohne Schlacht sich heimlich aus dem Staub machte – wieder von ihm ab. Darunter der Thüringer Landgraf; dann König Otakar, dem Philipp nachzog, bis er Geiseln und 7000 Pfund Silber lieferte; ja, allen voran, buchstäblich als erster, Ottos eigener älterer Bruder, Pfalzgraf Heinrich, was ihm u.a. die rheinische Pfalzgrafschaft zurückbrachte. Abtrünnig wurden auch die Bischöfe von Lüttich, Münster, Osnabrück, Straßburg, und ganze Kohorten niederrheinischer sowie westfälischer Grafen und Edler wechselten die Front. Hatten sie zuerst den Welfen gemolken, so jetzt den wohlhabenden Staufer.
Denn ihnen allen ging es natürlich einzig und allein um Macht, Geld, ihren persönlichen Nutzen; selbstverständlich auch dem jetzt gleichfalls mit seiner ganzen gewichtigen Verwandtschaft überlaufenden Erzbischof Adolf von Köln. Er krönte den Staufer – der ihm u.a., wie es heißt, 5000 oder gar 9000 Mark gezahlt – nach dessen Neuwahl am 6. Januar 1205 in Aachen an derselben Stelle, wo er schon dem Welfen, der ihm seine Königswahl vor allem verdankte, die Krone aufgesetzt, weshalb er sich nun auch den besonderen Haß des Papstes zuzog. Innozenz bannte und setzte ihn ab.
In Köln allerdings, wo zwischen 1131 und 1261 die rivalisierenden rheinischen Adelsgeschlechter Berg und Are-Hochstaden die Bischöfe stellten (bis 1297
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