Kriminalgeschichte des Christentums Band 07 - Das 13 und 14 Jahrhundert
man fragen, können denn bei einer Privatrache nicht auch politische Interessen mitspielen? Im Hintergrund stehen? Ist eine Privatrache nicht schlechthin ideal, um ganz andere Motive zu kaschieren?
Das Verbrechen geschah nach einer Fürstenhochzeit in Bamberg, wo der König erst 1201 mit den Bischöfen die Gebeine der hl. Kunigunde gehoben, bereits »durch viele Wunder berühmt« (Marbacher Annalen; vgl. VI 67 ff.!). Aber das Heilige und Kriminelle sind in der Geschichte, zumal der des Mittelalters, äußerst häufig ineinander verwoben, wenn nicht identisch.
Der Mord, der erste Königsmord seit Bestehen des Deutschen Reiches, geschah am Hof des Ortsbischofs Ekbert (1203–1237), dessen Bruder, Herzog Otto von Meranien, dort Hochzeit gefeiert, geschah inmitten des Bischofspalastes, wo der König, dem man eine Ader geöffnet, »an einem besonderen Ort« ruhte, während sein Heer vor der Stadt lagerte. Nur der Truchseß Heinrich von Waldburg war bei ihm und der Bischof von Speyer, Konrad I. von Scharfenberg, als der Wittelsbacher klopfte, der König ihn »more consueto« hereinkommen ließ, dann jener, wie im Spaß, das Schwert zog, hatte er ja Philipp schon mehrmals durch derlei ergötzt. Nun aber verbat sich dieser das Spiel, doch der Wittelsbacher rief: »Jetzt soll es auch kein Spiel sein!«, stürzte zu dem ruhenden König, durchbohrte ihn am Hals und floh sofort. Der dazwischengesprungene Truchseß war am Kinn schwer verwundet worden, Oberhirte Konrad aber, von Philipp anno 1200 auf den Speyerer Stuhl, 1208 zu seinem Kanzler erhoben, hatte sich rasch verkrochen – und wurde nach der Liquidierung des Staufers Kanzler des Welfen.
Was Bischof Ekbert betrifft, war er zwar durch Innozenz wegen Förderung Philipps suspendiert, im Sommer 1206, zwei Jahre vor der Meucheltat, jedoch mit dem Pallium ausgezeichnet worden; ein Mann, von dem man nicht nur meinte: »Die Spuren seines geistlichen Wirkens sind gering« (Wendehorst), sondern von dem der Geschichtsschreiber des Bistums Bamberg auch betont: »Ohne Zweifel hatte er öfter und lieber als das Kreuz das Schwert in die Hand genommen und mit einer Gewandtheit geführt, der mächtigere Reichsfürsten nicht gewachsen waren« (Looshorn).
War Ekbert in den Mordplan eingeweiht? Mancher bezweifelt's oder schließt es gar aus. Selbst nach dem Lexikon für Theologie und Kirche (1995) aber wird dem Bamberger Bischof, ebenso seinem Bruder Heinrich, dem Markgrafen von Istrien, die Mitwisserschaft »wohl zu Recht zur Last gelegt«. Beide, so auch das Lexikon des Mittelalters, »galten als Mitwisser«. Und bezeichnenderweise stellte sich der Bischof keinem Strafverfahren. Zusammen mit Heinrich, nach Otto von St. Blasien sogar Anstifter des Verbrechens, floh er, geächtet und seines Amtes enthoben, nach Ungarn an den Hof König Andreas' II. (1205–1235), des ebenso kriegerischen wie kirchenergebenen Schwagers der beiden.
Erst drei Jahre später, 1211, konnte Ekbert, gestützt von – dem angeblich durch den Mord tiefbetrübten – Innozenz, nach Bamberg zurück. Nach einem päpstlichen »Gericht« sofort restituiert, wird er Hofkanzler Ottos IV. – bis er zu dem siegreichen Staufer Friedrich übertritt. Der hochsuspekte Seelenhirt erbaute den Bamberger Dom, wie er noch heute steht, nahm 1236 an der Erhebung der Gebeine seiner im Jahr zuvor heiliggesprochenen Nichte, Elisabeths von Thüringen, teil und starb kurz darauf selig im Herrn. Er beschloß, schreibt Looshorn, der Bistumshistoriker, anzüglich, »ein romantisches Bischofsleben«, pfäffisch zynisch fragend, ob er etwa »nicht auf der Höhe seiner Zeit stand oder zu ihren schlimmeren Kindern gehörte?«. 34
Der Tod des Königs entfachte Fehden und Aufruhr rundum. Weniger als je hielt man sich an Recht und Gesetz. In Verdun schlugen sich die Bürger mit dem Klerus in Straßenkämpfen, wobei Bischof Albert am 25. Juli umkam. Viele Adlige, Graf Hugo von Montfort, sein Bruder Rudolf, Pfalzgraf von Tübingen, Graf Egeno von Urach, zahlreiche Barone und Ritter, wurden Wegelagerer, Straßenräuber – was sie im Grunde schon immer waren. Gerade königliche Städte wurden jetzt heimgesucht, niedergebrannt, gerade königliche Besitzungen die Beute der Angrenzer, und niemand trat für die unmittelbaren Erben ein, für Königin Maria, die »Taube ohne Galle«, die schon am 27. August an einer Frühgeburt starb, für Philipps vier voll erbberechtigte Töchter.
Waren aber zuvor die Großen immer mehr zu Philipp übergegangen,
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