Kriminalgeschichte des Christentums Band 07 - Das 13 und 14 Jahrhundert
nicht weniger als 11 von 17 Erzbischöfen), konnte sich der Ende Juli 1205 zum neuen Erzbischof erhobene Welfenanhänger Bruno IV. von Sayn gegen seinen Vorgänger nicht behaupten. Es kam zu einem ersten, viele Jahre dauernden Schisma, zu hitzigen Kämpfen auf beiden Seiten, wobei Kirchen geplündert, angezündet, in Burgen verwandelt, Priester, Mönche und Nonnen verjagt, gefangen, mißhandelt worden sind. Überall brandschatzte man, ganze Dörfer gingen in Flammen auf. Im September 1205 zog Philipp gegen Köln mit einem Heer, in dem sich auch Erzbischof Adolf befand, während in der Stadt Gegenerzbischof Bruno von Sayn auf Ottos Seite focht. Der Weifenbischof, der außer einem großen Kontingent Fußvolk allein 600 Ritter aufbot, war beim Nahen Philipps gerade von einem Feldzug gegen den Grafen von Geldern zurückgekehrt. Der Staufer berannte die Stadt Anfang Oktober fünf Tage lang, Otto wurde bei einem Ausfall schwer verwundet, Köln aber gehalten. Im Nordosten fiel im Juni 1206 durch Ottos Reichstruchseß Gunzelin von Wolfenbüttel im Handstreich Goslar, wobei auch »dha mordes vil gescach« (Braunschweiger Reimchronik) und der Ort samt seinen Kirchen acht Tage lang ausgeraubt worden ist. 32
Mehr und mehr Fürsten, Adelige, Prälaten schlossen sich nun Philipp an. Die Reichsministerialität ergriff seine Partei, womit ihm auch die von ihr betreuten Reichsgüter zufielen. Die Mächtigsten erstrebten sogar eine Familienbindung mit ihm. Die mühevoll aufgestellte welfische Front zerbrach. Und da auch das Volk gegen den Papst stand, dessen Günstling Otto überdies auf Philipps fünfter Heerfahrt zum Niederrhein am 27. Juli 1206 bei Wassenberg westlich von Köln entscheidend geschlagen wurde und nach Braunschweig floh, da ferner auch der Kölner Gegenbischof Bruno in einem Versteck gefangen, gleich in Ketten gelegt und monatelang auf dem Trifels festgehalten, der Friede in Deutschland weitgehend wiederhergestellt wurde, begann der Papst, in die Enge getrieben, widerwillig genug, einzulenken, die Hand von seinem Schützling zu ziehen und mit dem Staufer zu verhandeln.
Innozenz nannte jetzt zwar Philipp noch nicht »König«, nannte aber auch Otto nicht mehr so, nannte beide »den einen Fürsten« und »den anderen«. Doch schrieb er bald in völlig verwandeltem Tonfall an den bislang so vermaledeiten Staufer, dessen Lösung vom Bann im August 1207 in Worms erfolgte. In seinem ersten Brief an Philipp gratulierte ihm Innozenz am 1. November 1207 zu seiner Wiederaufnahme in den Schoß von Mutter Kirche und versprach, an der Erhöhung seiner Ehre mitzuwirken – soweit irgend möglich (»Quantum cum Deo possumus«), wie er sich elastisch absicherte. Aber schließlich hatte er kein Bedenken mehr gegen Philipps Königtum. Und zuletzt gestand er ihm sogar im Fall einer Romfahrt die Kaiserkrönung zu. Sein Rückzug war total. 33
Königsmord im Bamberger Bischofspalast oder Bischof Ekbert »auf der Höhe seiner Zeit«
Doch in diesem Augenblick, da die vollständige Niederlage des Papstes bevorstand, da Philipp auch schon als römischer König auftrat, da er zu einem letzten Schlag gegen den Welfen in Braunschweig ausholte, da er, wie es heißt, 30000 Mark in seiner Kriegskasse hatte, im ganzen Reich gewaltig rüstete, auch bereits Truppen sammelte und mit ihnen auf Bamberg zumarschierte, während im Norden Erzbischof Waldemar von Bremen mit seiner Soldateska lauerte, ungeheure Massen aus Böhmen schon herzogen sowie die berüchtigten Hilfskontingente wieder des Königs von Ungarn (S. 72), ja, in diesem Augenblick, da einem Ratzeburger Priester ein Traumgesicht verkündete: »Im Jahre 1208 wird das Ende kommen«, da kam es, da starb König Philipp. Am 21. Juni 1208 erstach ihn Otto von Witteisbach, Pfalzgraf von Bayern – »gefährlich und als Mörder vieler Vornehmer durch Klage und Urteil offenkundig« (Marbacher Annalen). Und im folgendem Jahr wird dieser selbst auf der Flucht bei Regensburg von Reichsmarschall Heinrich von Kalden erschlagen.
Mit dem schäbigen Attentat, nach Albert Hauck »die schlimmste Untat, welche die deutsche Geschichte kennt«, nach Gregorovius eines »ihrer am meisten tragischen Ereignisse«, erlosch die Stauferdynastie in Deutschland und begannen länger als ein Jahrhundert dauernde Kämpfe zwischen den Päpsten und dem Reich.
Die Tötung Philipps war, wie allgemein angenommen, eine Privatrache wegen der Lösung des Verlöbnisses seiner Tochter Beatrix mit dem Pfalzgrafen Otto. Doch, darf
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