Kriminalgeschichte des Christentums Band 07 - Das 13 und 14 Jahrhundert
noch mit dem Eintreten für die rechtmäßige oströmische Dynastie tarnen und das Gros des Heeres anscheinend durch die gewaltige Anhäufung von Reliquien und Reichtümern in Konstantinopel ködern ließ. Die schismatischen Griechen, sagte man, seien dieser Schätze, der reichsten Reliquienschätze der Welt, nicht mehr würdig. »Diese gewissenlosen und schlauen, geschäftstüchtigen Männer bearbeiteten Alexios ... und beschwatzten ihn, ihnen eidlich zuzusichern, was er unmöglich erfüllen konnte. Sie forderten ein Meer von Geld, und der kindische Tropf nickte dazu, sie forderten auch noch rhomäische Waffenhilfe und fünfzig dreirudrige Schiffe zum Kampf gegen die Sarazenen, und was noch ärger ... ist: Abfall vom Glauben und Annahme der lateinischen Lehrmeinungen, Erneuerung der Vorrechte des Papstes und Abschaffung und Umgestaltung alten rhomäischen Herkommens, und auch dazu verpflichtete er sich« (Niketas Choniates).
Tatsächlich segelte man im Mai 1203 in schöner Eintracht mit dem jungen Alexios an Bord über Durazzo und Korfu auf Konstantinopel zu und fuhr schließlich in das Marmarameer ein – »wie ein breiter Teppich«, schreibt Geoffroy de Villehardouin, »bedeckte die Flotte den schmalen Arm des Meeres«. Die Eroberung der Stadt am 17. Juli 1203, wobei Kaiser Alexios III. mit der Staatskasse floh, brachte den Prinzen Alexios IV. und seinem aus dem Kerker geholten Vater Isaak zwar wieder die Herrschaft (Krönung als Mitregent am 1. August 1203). Doch unter dem Druck der Bevölkerung verschlechterten sich ihre Beziehungen zu den Abendländern, und im Januar 1204 fegte sie ein lateinerfeindlicher Staatsstreich erneut beiseite. Alexios wurde im Februar erwürgt (»Er quetschte ihm die Seele auf diesem engen, eingeschnürten Weg aus dem Leibe, wie man einen Obstkern ausdrückt, und warf sie in den Hades«: Niketas Choniates), sein Vater wurde im Kerker ermordet, jeder durch den Nachfolger – das bekannte dynastische Christengerangel. 8
»... ein unbeschreibliches Morden« und eine dezente Geschichtsschreibung
Von dem neuen Usurpator aber, dem am 5. Februar unter dem Beifall des Volkes zum Kaiser gekrönten General Alexios V. Dukas Murtzuphlos, Schwiegersohn Alexios' III. Angelos und Vertreter der lateinerfeindlichen Richtung, einem ebenso klugen wie kühnen, inmitten seiner Soldaten kämpfenden Mann, war für die vor den Mauern der Stadt stehenden Kreuzfahrer nichts zu erwarten. Und da die neue Regierung sich weigerte, für den Abzug der Belagerer 90000 Silbermark zu zahlen sowie offenbar unannehmbare Privilegien zu leisten, gingen die Franken aufs Ganze. Sie schrieben Ägypten und das Heilige Land in den Wind und kamen überein, statt dessen dem christlichen Byzanz den Garaus zu machen, dessen Metropole ihnen ja von Galata aus, einem vorstädtischen Viertel am gegenüberliegenden Ufer des Goldenen Horns, so einladend vor Augen lag.
Noch im März 1204 beschlossen sie die Gründung eines Kaiserreiches innerhalb des oströmischen Staates. Sie verteilten vertraglich auf Betreiben des Dogen, der alles fest im Griff hatte, im voraus, doch nicht vergebens, das Fell des Bären, legten das Nachfolgereich – offizieller Titel »Romania« – samt dessen Verfassung fest und stürmten am 12. April noch einmal die Stadt, aus der Alexios V. geflohen, dann auf Befehl Alexios' III., seines Schwiegervaters, mit dem er Versöhnung gesucht, geblendet und schließlich als Blinder von den Kreuzfahrern auf dem Taurosplatz von der sechzig Meter hohen Säule des Theodosius zu Tode gestürzt worden ist – Christen unter sich. (Der Schlußakt war übrigens, wie freilich vieles zuvor, die Regie des fast blinden Dandolo, der wenigstens, wenn er schon nichts sah, den Fall des Imperiums sozusagen akustisch genießen wollte.) 9
Konstantinopel, das sich über fünfhundert Jahre lang als uneinnehmbar erwiesen, wurde bei mangelhaftem Defensivzustand auch noch schwach verteidigt. So geriet es schnell in die Hände der Franken, die am 12. April die Mauern erstiegen; als erste anscheinend die Männer zweier Schiffe mit den Bischöfen Nivelon von Soissons und Garnier von Troyes an Bord, worauf die Banner der Prälaten auf den Türmen wehten. Am 13. April 1204 gewann man, selbst überrascht vom Lauf der Dinge, die Stadt, in der man sich jetzt so chevaleresk wie christlich benahm. »Drei Tage lang herrschte ein unbeschreibliches Morden und Plündern« (H.E. Mayer).
Daß die Raub- und Totschlagaktion ausgerechnet in die Karwoche
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