Kriminalgeschichte des Christentums Band 07 - Das 13 und 14 Jahrhundert
Schreine fahren«, war der Erfolg geringer. Doch auch in Frankreich fehlten nicht skeptische, von den Predigern wiederholt beklagte Stimmen profaner Provenienz.
Die Könige wollte der Papst gar nicht haben, sie hätten seinen Anteil nur verdunkeln können. Er schrieb sie überhaupt nicht an. Sie sollten zugunsten seines Krieges einfach Frieden halten. Dagegen wandte er sich an die Seestädte Italiens, deren Flotten er brauchte; denn nur zur See wollte man fahren.
Das Angriffsziel war zunächst, aus strategischen Gründen, Ägypten, was man, in einem geheimen Zusatzabkommen beschlossen, den Kreuzfahrern aber verheimlichte. Als verwundbarste Stelle des Feindes, als Kornkammer und Zentrum seiner Macht hatte man Ägypten schon auf dem Ersten Kreuzzug in Erwägung gezogen. Da man jedoch nach den Erfahrungen Barbarossas die Strapazen des Landwegs fürchtete, lockte Innozenz besonders die heimischen Seestädte, von denen freilich Pisa und Genua, beide gut christlich, selbst im Kampf lagen und darum ausfielen.
So erkaufte er die Überfahrt von dem venezianischen Dogen Enrico Dandolo (1192–1205), dem wohl durchtriebensten Politiker seiner Zeit, ja, so Heinrich Kretschmayr in seiner dreibändigen Geschichte Venedigs, einem »der seltsamsten Phänomene der Geschichte«; selbst der Papst konnte ihm nicht das Wasser reichen. Für 4500 Ritter mit ihren Pferden, 9000 Knappen und 20000 Fußsoldaten vereinbarte man eine Taxe von 85000 Mark Silber. Doch obwohl die Summe, für ein, wie sich herausstellte, sehr überhöhtes Kontingent, in vier Raten zu begleichen war, vermochte man sie nicht ganz zu zahlen, zumal die Venezianer, die mit 50 Kriegsschiffen – gegen die halbe Kriegsbeute – auch aktiv am Kampf teilnehmen sollten, keinen Schuldennachlaß gewährten.
Nun hatte der fast blinde, über neunzigjährige, jeder Kreuzzugsschwärmerei ferne, rücksichtslos kalkulierende, weit vorausschauende Doge – wahrscheinlich ein Neffe des aus dem Investiturstreit bekannten gleichnamigen Patriarchen von Grado – auf der Kanzel der Markuskirche zwar gebeten, das Kreuz nehmen zu dürfen, »um euch zu behüten und zu unterweisen«. Denn er wollte, wiewohl schon schwach, auch selbst dabeisein bei einem Unternehmen, in dem noch andere Köpfe der Familie steckten: sein Sohn Renier, der stellvertretende Regierungschef, und ein weiterer Dandolo, Vitale, Kommandant der eigens gestellten venezianischen Schlachtflotte. Doch nicht um Gotteslohn ging es ihm, sondern, in der Tradition aller italienischen Seeabenteurer, um die Hegemonie im mediterranen Orient, um Ausweitung der Geschäfte, neue kommerzielle Operationen, um Brückenköpfe, Häfen, Handelsniederlassungen, Zollfreiheiten, kurz um Transporte, Prozente, Profit. Gerade deshalb aber konnte er auch keinen Krieg mit dem »ungläubigen« Ägypten brauchen, einem seiner Haupthandelspartner beim Export wie Import. Und nicht von ungefähr hatte Enrico Dandolo dem ägyptischen Sultan bereits 1201 Sicherheit vor jeder Invasion garantiert.
So stiftete der Doge, wohl schon Weiteres in petto, jetzt die um 34000 Silbermark hochverschuldeten Ritter zunächst zur Erstürmung des 1186 von der Seerepublik abgefallenen Zadar (Zara) an. Die Stadt, Venedigs wichtigster Adriahafen an der dalmatinischen Küste, war seit 1154/1155 Erzbistum, dem Patriarchen von Grado unterstellt und derzeit vom katholischen Ungarn annektiert. Und obwohl dessen König selbst das Kreuz genommen und die Zaresen – für den Dogen freilich nur Seeräuber und Mörder, an denen er sich rächen wollte – auf der Mauer Kruzifixe aufgestellt hatten, sprengten die Kreuzfahrer am 11. November die Hafenkette und eroberten am 24. November 1202, trotz heftigen Protestes in ihren eigenen Reihen, Zadar wieder für Venedig. Die Stadt wurde geplündert, auch jede Kirche ausgeraubt, ein Teil der Mauern, der Häuser niedergerissen, und fast eine Woche lang um die Beute gestritten: ein von den Geschichtsschreibern vielbeachtetes, wenn auch vergleichsweise bescheidenes, doch durchaus einstimmendes »Vorspiel« zur Eroberung Konstantinopels.
Der Papst exkommunizierte zwar die Aggressoren, hob aber den Bann über seine Streitmacht rasch wieder auf und beließ nur die Venezianer darin. Doch auch mit ihnen durften Franzosen und Deutsche frei verkehren, militärisch wie menschlich. Denn Innozenz gab natürlich seinen Kreuzzug wegen des Zwischenfalls nicht preis. Hat er doch bald sogar eine viel größere, eine welthistorische Schurkerei, Schlächterei
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