Kriminalgeschichte des Christentums Band 07 - Das 13 und 14 Jahrhundert
(Riley-Smith). Er beanspruchte nicht nur, wie üblich, die Ausschreibung, den eigentlichen Aufruf zum Krieg, sondern auch dessen Gesamtleitung. Er wollte alles in exorbitanter Machtsucht in der Hand haben und, konkret gesehn, das Heidentum des Nordostens ausradieren, die »Ketzerei« in Südfrankreich, den Islam in Spanien, und wollte vor allem das lateinische Königreich Jerusalem wiedererrichten, 1187 zusammengebrochen, 1192 bloß sehr dürftig wiedererstellt. Doch erzielte der stolze Papst mit all seinen Kreuzzügen »nur Schein- oder Mißerfolge« (H.E. Mayer). 4
Vorspiel für Konstantinopel: Das christliche Zadar wird zerstört
Innozenz war kaum im Amt, so rief er, noch im August 1198, zu einem neuen großen Kreuzzug auf – das Mittelalter verwandte diesen Begriff selten und erst jetzt, seit dem 13./14. Jahrhundert –, zur Befreiung des Heiligen Landes, zur Vertreibung der »Ungläubigen«. Es war der sogenannte Vierte Kreuzzug (1202–1204), für den Papst geradezu »eine Sache des Herzens« (Katholik Seppelt). Wobei er sich noch »ungleich stärker als seine Vorgänger engagiert« (Maleczek). Noch stärker etwa als der Papst des schauderhaften Jerusalem-Massakers, der selige Urban II. (VI 380 ff.!), mit seinem »Heer Gottes« (exercitus Dei) – »Verum et vere pro nobis pugnat Deus«, jubelt sein Legat und Stellvertreter seinerzeit, Bischof Ademar von Le Puy. Noch stärker engagiert auch als Urbans Nachfolger Paschalis II., der von den blutgeweihten Händen der Sieger schwärmt, der diese »Pilger«-Bewegung so warm begrüßt und das Unternehmen eines der berüchtigten Führer des Ersten Kreuzzugs (VI 372 ff.), Bohemunds I. von Antiochien, von ihm selbst offen eine Expedition gegen Byzanz genannt, gegen das christliche Kaiserreich, als Kreuzzug – segnet.
Weiter ausgedehnt wird die hehre Idee durch Innozenz II. Verheißt er 1135 doch allen, die zur »Befreiung der Kirche« seinen Gegenpapst Anaklet II. nebst dessen Verbündeten, König Roger II. von Sizilien, bekriegen würden, den gleichen Ablaß, den einst Urban II. jenen gewährt hatte, »die nach Jerusalem zur Befreiung der Christen« geeilt waren.
1145 ruft Eugen III. zu einem neuen Kreuzzug auf, wertet aber auch die Heidenkriege in allen Himmelsrichtungen, im Heiligen Land nicht nur, auch in Spanien und östlich der Elbe, als Kreuzzüge. Auf göttlichen Ratschluß, verkündet er, sei es an allen Fronten zum Kampf gekommen. Überall, selbst im Osten des Deutschen Reiches, lag schon wenige Jahre nach dem Ersten Kreuzzug: »unser Jerusalem« (Hierusalem nostra).
Innozenz III. nun bediente sich bei seinen äußerst aufrüttelnden Kriegstreibereien u.a. des Kardinallegaten Peter Capuano und besonders des zungenfertigen Bußpredigers Fulko von Neuilly. Im Gefolge der zeitgenössischen Armutsbewegung (»Nackt dem nackten Christus nach«) mobilisierte Fulko mit flammenden Appellen sowohl die allzeit fanatisierbaren Massen, die »armen Kreuzfahrer«, als auch zahlreiche »Arme« aus dem französischen Adel (zusammen mit den flämischen feudalen Hauptträgern dieses Krieges) und wurde dafür auch Seliger seiner Kirche (Fest 2. März); zumal der Herr durch ihn, wie ein führender Teilnehmer, Kreuzzugschronist Gottfried von Villehardouin, berichtet, »manches Wunder« wirkte.
Nicht genug – durch Kardinal Peter von Capua verkündet Innozenz einen generösen Ablaß: »Alle, die sich bekreuzigen und Gott ein Jahr lang im Heer dienen, sollen freigesprochen sein von allen Sünden, die sie begangen und gebeichtet haben.« Und auch dieser Schwindel bewegte, wie Villehardouin schreibt, das Herz der Menschen sehr, »und viele nahmen das Kreuz, um einen so großen Ablaß zu bekommen«. Doch gewannen ihn selbst jene, die nicht auszogen, nicht mordeten, aber einen anderen für sich morden ließen und seine Ausrüstung wie seinen Unterhalt bezahlten. 5
An der Spitze des von Innozenz proklamierten und überall im Abendland organisierten Vierten Kreuzzuges, der sein Ziel voll verfehlte, dafür ein anderes voll traf, stand kein König, sondern eine Reihe namhafter Grafen: Theobald von Champagne, Ludwig von Blois, Simon von Montfort, Balduin IX. von Flandern, Bonifaz von Montferrat oder eben Gottfried von Villehardouin, Marschall der Champagne, der offiziöse Kreuzzugsreporter. Natürlich mangelte es auch nicht an Bischöfen und Äbten, an niederem Adel. In Deutschland, wo man mit Walther von der Vogelweide fürchtete, es möchte »das deutsche Silber in welsche
Weitere Kostenlose Bücher