Kriminalgeschichte des Christentums Band 07 - Das 13 und 14 Jahrhundert
verdankte nur Gott all sein Waffenglück. Bei seinem Heere war stets das Bild der allerseligsten Jungfrau Maria vorhanden, um das Vertrauen der Soldaten auf die Fürbitte Mariens stets zu wecken und zu beleben. Überdieß trug er ein kleines Marienbild auf seiner Brust, und wenn er in die Schlacht zog, hing er es an den Sattelbogen.« Und da gelegentlich an der Spitze seiner Truppen, von Christen wie Moslems bezeugt, noch der »h. Apostel Jakobus auf einem weißen Rosse« stritt, wie ein geharnischter Ritter, konnte es an nichts fehlen.
Die »Ungläubigen« wurden nun immer weiter nach Süden geworfen, wo sich das von dem Nasriden Muhammad I. (1237–1273) gegründete Reich mit dem Hauptsitz in Granada noch mehr als zwei Jahrhunderte zu halten vermag, bis der letzte Rest muslimischer Macht in Spanien 1492 an Kastilien und damit in christliche Hände fällt. 19
Der Kinderkreuzzug, der keiner gewesen sein soll
Wird die Christenheit schon an die üblichen Kreuzzüge nicht gern erinnert, auch nicht an jenen, vom Weltherrschaftswahn Roms mobilisierten mörderischen Run nach Nordosten, der dann – Ironie der Geschichte – im Osmanensturm des 14. Jahrhunderts zusammenbricht, will sie von einem Kinderkreuzzug erst recht nichts mehr wissen, von jenem »wunderlichen Geschehnis«, so die »Gesta Treverorum«, »was in allen Jahrhunderten unerhört war«.
Entweder leugnet man glatt, entgegen den Quellen, immerhin rund fünfzig, daß es ein beabsichtigter Kreuzzug, eine intendierte Eroberung Jerusalems, seit 1187 in Sarazenenhand, gewesen sei und macht schlichtweg nur eine geplante Jerusalemwallfahrt daraus, wenn nicht gar bloß Prozessionen im Abendland. Oder man beseitigt die Tragödie fast, wie etwa Herders »Lexikon für Theologie und Kirche«. Der 5. Band (1996) bringt zwar über zwei Dutzend Wortverbindungen mit Kind – vom Kind Jesus über Kinder Gottes, Kinderbegräbnis, Kinderbibelwoche, Kinderbischof usw. bis Kindergottesdienst, Kinderkommunion, Kinderpastoral, Kindersegnung, Kindertaufe etc., ja führt auch das Stichwort an: »Kinderkreuzzug«; freilich nur mit Verweis auf die »Kreuzzugsbewegung«. Und da steht dann im 6. Band (1997) wieder nicht mehr als: »Kinder-Kreuzzug« samt der Jahreszahl »1212« (was ungefähr der kürzesten Quelle entspricht: Anno 1212: Fecerunt pueri processiones: Breve Chronicon Lirense). Doch etwas wenig für eine dickleibige Lexikonreihe und einen makabren historischen Skandal. (Die erste Auflage von 1934 hatte sich dazu gerade noch den Satz abgerungen: »Scharen von französischen und deutschen Kindern, die 1212 nach dem Hl. Land ziehen wollten, gingen unterwegs kläglich zugrunde.«) 20
Man hat auch behauptet, die neuere Forschung sei geneigt, die Züge der
Kinder
ins Reich der Legende zu verweisen und als Teilnehmer mehr das ländliche Proletariat, »poor persons on the margins of rural society« (Jesuit Raedts), »eher Arme und Randständige der mittelalterlichen ländlichen Gesellschaft anzunehmen, die in göttlichem Auftrag das Scheitern der offiziellen Kreuzzüge wettzumachen suchten« (K. Arnold). Doch auch dies wird durch zeitgenössische Quellen kaum gestützt, wenn man auch immer wußte, daß die Kinderkreuzzügler sich sowohl aus »Männern als Mädchen als Greisen als Jünglingen« zusammensetzten (Annales Spirenses); daß mit den »pueri et puelle« auch Erwachsene zogen, Geistliche, nicht minder aufgereizt oder Schlimmeres, »mali homines«. Und Ulrich Gäbler möchte zumindest die französische »Bewegung am ehesten als Bittwallfahrten lokalen Charakters ansprechen dürfen« und nicht als »französischen Kinderkreuzzug« oder »Kinderkreuzzug in Frankreich«. Ja, er erkennt diesem grotesken Vorgang »den Charakter der Außergewöhnlichkeit« rundweg ab, füge er sich doch »durchaus in die Welt des mittelalterlichen Menschen ein«.
Desto schlimmer!
Aus Kindern jedenfalls vor allem rekrutierte sich das Phänomen des Wahnsinns, aus geld- und (übereinstimmendes Zeugnis aller Quellen) waffenlosen Kindern des Maasraumes, der Rheinlande, aber auch Böhmens, aus Zehn-, Zwölfjährigen schon; doch sprechen Chroniken sogar von »Säuglingen« (oft wohl erst Unterwegsprodukte des frommen Gottesvolkes). Während aber der Marbacher Annalist »diese törichten Menschen ohne Verstand«, »diese töpelhafte Menge« geißelt, während noch 1952 Bernhard Ridder in dem Kinderkreuzzug »ein von vornherein verfehltes Unternehmen«, »ein an sich sinnloses Unterfangen« sieht,
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