Kriminalgeschichte des Christentums Band 07 - Das 13 und 14 Jahrhundert
Stadt), jetzt eine Art Gottesurteil, ein Wunder fast – die Ausdrücke des Mirakulösen häufen sich (magnifica miracula; mirabile; pro tanti miraculi novitate). Nein, kein Zufall, »non casu fortuito«, schrieb er an den Heeresklerus, »sed alto quidem consilio Deus hoc mysterium per vestrum ministerium operatur, quatenus de caetero sit unum ovile et unus pastor«; keine Kasualien somit, sondern ein seit Ewigkeiten vorgesehenes »Mysterium, das der hohe Ratschluß Gottes im Dienst der Kreuzfahrer offenbart habe, damit künftig ein Schafstall Christi und ein Hirte vorhanden wären«.
Wahrhaftig, der Herr selbst, ließ Innozenz im November 1204 Kaiser Balduin wissen, habe das Reich der stolzen, ungehorsamen, schismatischen Griechen übertragen auf die demütigen, folgsamen, katholischen Lateiner. Und Theodor I. Laskaris, der, nach Kleinasien geflohen, in Nikaia als byzantinischer Kaiser (1205–1221) einen auch vom lateinischen Kaiser Heinrich schließlich anerkannten byzantinischen Nachfolgestaat entwickelte, bekam am 17. März 1208 zu hören: die Griechen wurden nach göttlichem Ratschluß bestraft. Sie hätten, weil sie der Union und der Unterstützung des Heiligen Landes sich versagten, ihr Reich zu Recht an die Franken verloren. Zwar seien auch die Kreuzfahrer nicht völlig schuldlos gewesen, doch geschehe es oft, daß Gott die Bösen durch den Arm Böser bestrafe. 15
Wirklich: die Wege des Herrn, sie waren wieder wunderbar. Nach altem Brauch aber überläßt Rom verantwortungsvoll, wie es ist, derart Bedeutsames nie dem Herrn allein. Vielmehr war es das kuriale Hauptinteresse im latinisierten Byzanz, die griechischen Priester umzufunktionieren »in gefügige Werkzeuge der römischen Herrschaft, in Reichsbeamte gleichsam« (Norden).
Nur der kleinere Teil jedoch dieser Geistlichen spielte mit. Die anderen wurden, falls sie nicht freiwillig gingen, gefeuert, vertrieben und durch westliche Kirchenleute ersetzt. Kein einziger Vorsteher der
Haupt
kirchen ließ sich durch Rom gewinnen; überall zogen dort Lateiner ein, die darauf, vom Papst gefördert, alles taten, um die orthodoxen Bischöfe, Äbte, Priester zu unterwerfen. Gehorchten diese, hatten sie, entgegen der gängigen Praxis im Abendland, einen doppelten Eid zu schwören, den einen ihrem lateinischen Oberen, den anderen dem Papst. Und wollte der auch, freilich »einzig und allein aus Politik« (Norden), weder Gehorsam noch den römischen Ritus erzwingen – nur nach wiederholtem Insistieren, nur notfalls sollte die Widerspenstigen, so die päpstliche Direktive, Absetzung und Bann treffen –, praktisch war der Zwang gar nicht so selten (war er sogar und gerade in dem Rom viel näheren Unteritalien häufig). Und selbst nach Alois Knöpflers »Lehrbuch der Kirchengeschichte« (mit Imprimatur) wurde die Union »gewaltsam durchgeführt«. Neugegründete »rechtgläubige« Klöster, Klöster von Zisterziensern und Franziskanern, mußten die Lateiner unterstützen.
Zudem forcierten mehrere Legaten des Papstes die Unionsverhandlungen. Denn nicht nur sollte das griechische Reich lateinisch, sondern auch der griechische Glaube römisch werden.
Zunächst erschien 1205 der Kardinal Benedikt, der aber, bei aller Gewandtheit und allerlei Konzessionen in Fragen des Ritus, nicht recht vorankam; um so weniger, als er sich, ungewohnt konziliant und maßvoll, noch in Glaubensdisputationen mit den Besiegten einließ, die danach jedesmal den Sieg beanspruchten und bei ihrem Glauben blieben. Später erreichte der Kardinal Pelagius von Albano, ein gebürtiger Spanier, der 1213 die Griechen endgültig Rom unterjochen sollte, noch weniger, obwohl oder weil er die Kirchen der Hartnäckigen einfach schließen, ihre Pforten verriegeln und renitente Brüder in Christo sofort fesseln, einkerkern, auch mit dem Tod bedrohen ließ.
Indes wurde der bedrängte griechische Klerus durch die lateinischen Fürsten, besonders durch den zweiten Kaiser »Romaniens«, Heinrich (1206–1216), den Bruder des verschollenen Balduin, gegen ihre eigene Kirche, den Papst und seine Bischöfe gestützt – nicht ganz selbstlos. Der neue Kreuzfahrerstaat hatte große Teile des Landbesitzes der orthodoxen Kirche konfisziert, bis 1210 fast deren gesamtes Gut; doch die dafür den lateinischen Prälaten zu zahlenden Abgaben behielten die Fürsten lieber selbst – eine recht eigenwillige, geradezu unbotmäßige Kirchenpolitik, wie sie der Westen lange nicht mehr erlebt hatte. Kardinal Hergenröther meldet
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