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Kriminalgeschichte des Christentums Band 07 - Das 13 und 14 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 07 - Das 13 und 14 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 07 - Das 13 und 14 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
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rühmt Görlichs »Kleine Kirchengeschichte« noch einige Jahre später die »ganz eigenartige Blüte der Begeisterung für das Heilige Land«. Sah ja kein Geringerer als Innozenz III. etwas Großes darin, was die Erwachsenen beschäme. »Diese Knaben«, sagte er, »gereichen uns zum Vorwurf.« (Hitler hätte sich darauf berufen können, als er seinerseits begann, Kinder in den Krieg zu jagen, Halbwüchsige, zum Teil entflammt noch, als der Enthusiasmus der Älteren bereits erloschen war. Erinnert nicht auch dies an die Kinderkreuzzügler? Eine Erscheinung »einzig in ihrer Art«, so einst der Basler Theologe Hagenbach, die zeige, »wie tief die Nachwirkungen der früheren Begeisterung gingen und wie das dem Erlöschen nahe Feuer noch immer unter der Asche fortglimmte«.)
    Auch nach Rom kamen Verführte, und der große Papst zog sofort die Konsequenz. Denn, lesen wir mit Imprimatur bei Bernard Guillemain, »ihr rührender und beklagenswerter Versuch war eine schreckliche Mahnung zur Ordnung (!). Innozenz III. war empfänglich genug für die leidenschaftlichen Gefühle des Volkes, um sie zu verstehen. Sofort wurde ein neuer Kreuzzug vorbereitet«. 21
    Hatte dieser Papst doch durch sein ganzes Pontifikat zu Kreuzzügen getrieben, auch damals, aber zeitweise wohl »die Begeisterung nur die Kinderwelt ergriffen« (Hagenbach). »Nur Kinder nahmen in krankhafter Begeisterung das Kreuz« (Knöpfler), übrigens durchweg Kinder Mittelloser. So betrat im Sommer 1212 Stephan aus dem Vendômois, ein Hirtenbub, dem der Herr sich in Gestalt eines armen Pilgers gezeigt, das abendländische Schmierentheater, ausgestattet mit einem der seinerzeit so beliebten »Himmelsbriefe«, diesmal adressiert an den König von Frankreich, der indes dafür nicht einzunehmen war, das getäuschte junge Volk vielmehr nach Hause schickte.
    Doch sonstige Obrigkeiten traten kaum dagegen auf. »Weder die kirchlichen noch die weltlichen Behörden widersetzten sich dem Zug« (Gäbler). Stephan durchzog, umjubelt von Erwachsenen, im Triumph das Land, begleitet auch von Älteren, auch von Geistlichen, und angeblich schlossen sich ihm, verführt durch Bibelsagen, christliche Legenden, durch frühere Bußzüge und analoge Absurditäten, 30000 Heilsbegierige an, um »das Kreuz jenseits des Meeres« zu suchen. Was nicht schon zuvor durch Strapazen oder Buschklepper umgekommen, geriet in Marseille in die Finger der Sklavenhändler und auf diverse Schiffe. Zwei davon scheiterten bei San Petro nahe Sardinien, und später ließ Papst Gregor IX., ein Neffe Innozenz' III., auf der Peters-Insel eine »Kapelle der unschuldigen Kindlein« errichten. Die übrigen unschuldigen Kindlein endeten als Bordellmädchen oder in ägyptischer Sklaverei oder sonstwo in Nordafrika. Friedrich II. hängte die Reeder auf. 22
    Ein deutscher Kinderkreuzzug – man spricht, vermutlich übertrieben, von 20000, ja 30000 Teilnehmern vor allem aus dem Rheinland und Niederlothringen – setzte sich, gelockt durch kriminelle Verheißungen, Anfang Juli unter Führung des von seinem Anhang hochverehrten Kölner Knaben Nikolaus in Bewegung. Singend und betend zog man rheinaufwärts, es war ungewöhnlich heiß, und Klügere kehrten schon in Mainz wieder um. Viele aber starben an Hitze, Hunger, Durst, noch bevor sie die Alpen überquert hatten. Nach Knöpflers Lehrbuch, das die so »herrliche Idee« der Kreuzzüge ja nun leider »zum Zerrbild« geworden sieht, fanden zirka 20000 »größtenteils in Wäldern und Einöden ein gräßliches Ende«. Der Rest quälte sich nach Genua weiter, um von dort, nicht nassen Fußes, versteht sich, ins Heilige Land zu gelangen und das Heilige Grab zu erobern. Denn man hoffte auf ein Wunder, ein Wunder des Herrn, eine Trockenlegung des Meeres. Da dies aber aus-, das Meer befremdlicherweise naß blieb, kamen die meisten, die Italien erreicht hatten, angeblich noch 7000 Kinder, auf mediterrane Menschenmärkte und endeten elend im Orient. Manche sollen auch, wie erwähnt, in Rom erschienen, doch nicht von ihrem Eid entbunden worden sein. Andere gelangten, heißt es, sogar bis Brindisi.
    Ein trauriger Rest, darin stimmen alle Quellen überein, zog im Spätherbst wieder über die Alpen, »getäuscht und verwirrt«, wie die »Annales Marbacenses« melden. Sie gingen »mit bloßen Füßen und verhungert zurück und wurden allen zum Gespött, zumal viele Jungfrauen geraubt wurden und die Blüte ihrer Scham verloren«. Die meisten der Knaben aber, so die »Gesta Treverorum«,

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