Kriminalgeschichte des Christentums Band 07 - Das 13 und 14 Jahrhundert
sie.
Ein weiterer »Irrlehrer«, Petrus von Bruis (Bruys), selbst Priester, aus der Hochgebirgsregion von Embrun, predigte, anscheinend gleichfalls beeinflußt von bogomilischen Gedanken, seit etwa 1105 seinem zahlreichen Zulauf, den Petrobrusianern, in Südfrankreich. Er verwarf Kindertaufe, Eucharistie, die Messe, Seelstiftungen für Verstorbene und ließ als radikaler Biblizist nur die Evangelien gelten. Er bekämpfte das Alte Testament, die Apostelbriefe, die Auslegungen der Kirchenväter. Er erklärte Kirchen für unnütz, forderte, keine mehr zu bauen, bestehende niederzureißen; man könne ebensogut im Stall beten, im Wirtshaus. Wiederholt verbrannte er, eine Art von Happenings, öffentlich Kreuze, »Christi Marterholz«, bis man ihn selbst, wann, ist umstritten, bei der Abtei Saint-Gilles (nahe der Rhônemündung) in die Flammen schmiß.
Eon von Stella (Éon de l'Étoile), wahrscheinlich aus bretonischem Adel, ein weiterer Wanderapostel, in dem manche noch einen Druiden sehen, einen Katharer, Hexer oder gar – avant la lettre – Kommunisten, rekrutierte ein Bauernheer, um die Kirchen der Bretagne auszuplündern. Er wurde eingefangen und 1148 vor die von Papst Eugen III. (VI. Register) präsidierte Synode von Reims gestellt. Er gab sich angeblich, vielleicht um sein Leben zu retten, für den Sohn Gottes aus, wurde unter dem Gelächter der Prälaten für verrückt erklärt und zu lebenslanger Klosterhaft in Saint-Denis verdammt, worin er allerdings bald umkam. Seine Anhänger ließ der Bischof von Saint-Malo, Jean de Châtillon, gnadenlos jagen und, soweit man sie in die Hand bekam, verbrennen.
Auch wo der Mönch (oder Diakon) Heinrich von Lausanne, ein Bibelkenner und gewaltiger Redner unbekannter Herkunft, auftrat, in Lausanne, Poitiers, Bordeaux, Le Mans, verbreitete er Unruhe und weckte Erwartungen, zumal er u.a. auch die Ehe aus den Fesseln der Kirche lösen wollte und erfolgreich die Verheiratung der Huren betrieb. Als rabiater Antiklerikaler, der jeden Nutzen des Klerus bestritt, rief er auch zum Boykott korrupter, reicher Priester auf, denen man weder Lebensmittel noch Sonstiges verkauft, die man verprügelt haben soll.
Durch den Erzbischof von Arles 1135 gefangengesetzt und vor das Konzil von Pisa gestellt, mußte er abschwören. Doch entkam er der Klosterhaft und predigte, stets radikaler, im Midi weiter, wobei er viele Gläubige gewann, so daß immer weniger Christen die Kirchen betraten, immer mehr die Messe mißachteten. 1139 verfluchte ihn das Laterankonzil erneut, und schließlich agitierten Bernhard von Clairvaux und der päpstliche Legat Kardinalbischof Alberich von Ostia ganz systematisch gegen ihn und alle »Henricianer«. Heinrich mußte aus Toulouse fliehen, geriet jedoch wieder in Gefangenschaft, in der er diesmal verschollen, wahrscheinlich, wie Eon von Stella, gestorben ist. 10
Die »novi haereteci« – die Heraufkunft der Katharer
Eine Volksbewegung und wirkliche Bedrohung für die großkirchliche Hierarchie wurden erst die Katharer. Sie traten im Laufe des 12. Jahrhunderts schon stark in Erscheinung und sind erstmals in Westeuropa 1143 in Köln bezeugt, ein Kreis mit eigenem Bischof und eigener Organisation. Sie nannten sich die »Armen Christi«, erklärten, nach dem Beispiel der Apostel zu leben, ohne festen Wohnsitz, ohne Besitz und verfolgt von Ort zu Ort zu ziehn »wie die Schafe unter Wölfen«. Sie verneinen die Ehe, weigern sich, Milch zu genießen oder Produkte von Zeugungsvorgängen. Sie beanspruchen bereits, allein die wahre Kirche zu sein, und werden, da sie nicht widerrufen, samt ihrem Bischof verbrannt.
Wirkung zeigte die Aktion nicht. Genau zwei Jahrzehnte später, 1163, am 5. August, machte man außerhalb Kölns flandrische »Ketzer«, darunter zwei Frauen, zu Asche. (Frauen wurden manchmal verheizt, und zwar, keineswegs in ganz vereinzelten Fällen, »weil sie den unzüchtigen Wünschen des Klerus widerstrebt und ihre Keuschheit hatten bewahren wollen«: Grundmann.) Um die gleiche Zeit schickte man auch in England etwa dreißig »deutsche« »Ketzer«- aus Flandern oder der Rheingegend auf den Scheiterhaufen. Und 1183 verbrannte der Erzbischof von Reims ebenfalls sogenannte Häretiker. »Viele, darunter Adelige, Bürgerliche, Geistliche, Bauern, Jungfrauen, Frauen und Witwen, wurden vom Erzbischof (von Reims) und vom Grafen (von Flandern) durch Richterspruch dem Feuertode überliefert; ihr Vermögen wurde theils dem Bischof, theils dem Grafen
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