Kriminalgeschichte des Christentums Band 07 - Das 13 und 14 Jahrhundert
überwiesen.«
Die Verfolgten aber bekamen immer mehr Zulauf. Die Häresie hatte sich um die Mitte des 12. Jahrhunderts vom Rhein und von Lüttich bis zum französischen Südwesten, dem Périgord, bis zu den Pyrenäen und, gegen 1160, auch nach Oberitalien ausgedehnt, neben Südfrankreich ein Hauptverbreitungsgebiet der Katharer. Kurz, die »novi haeretici« waren international geworden. Sie hatten aber nicht nur an Ausdehnung, sondern auch an Kraft und Zusammenhalt gewonnen, ja sich zu einer Gegenkirche entwickelt. 11
Der Name Kátharer (katharoí, »die Reinen«) für »Ketzer« taucht im Westen erstmals 1163 auf – und grotesk genug, doch bezeichnend für die alles auf den Kopf stellende Kirche, daß sie aus dem Namen »die Reinen« den Begriff des Gegenteils gebildet hat, des Unreinen, Befleckten, Bösen, Satanischen. Die Katharer selbst nannten sich gewöhnlich »Christen« (christiani) oder »Wahre Christen«, »Gute Christen«, »Gute Christinnen«, »Gute Leute« (veri christiani, boni christiani, boni homines). Mittelbar gehen sie wohl auf die spätantike Gnosis, auf Manichäer zurück (vgl. I 166 f.), die schon im 5. Jahrhundert der hl. Papst und Kirchenlehrer Leo I. »der Große« im Verein mit dem christlichen Staat derart brutal bekämpft (II 264 ff.!), daß der Manichäismus im Laufe des 6. Jahrhunderts im Westen verschwindet.
Vielleicht knüpften die Katharer auch an die Messalianer (Euchiten) oder die Paulikianer an, eventuell eine Filiation der Manichäer oder Anhänger des Apostels Paulus. Jedenfalls haben die Kreuzfahrer noch 1096 Pelagonien, eine befestigte, von Paulikianern bewohnte Stadt (castrum) in Makedonien, zerstört und die »Ketzer« umgebracht.
Sicher aber kommen die Katharer gradlinig von den Bogomilen her. Im 10. Jahrhundert von dem wohl aus Makedonien stammenden Priester Bogomil, dem »größten Volkshäresiarchen des Mittelalters« (Runciman), in Bulgarien gegründet, saßen Bogomilen bald auch in Byzanz und in Teilen des Byzantinischen Reiches. Sie tauchten zunächst als reine Volksbewegung auf, hervorgegangen aus ungeheurer wirtschaftlicher Not, einer offensichtlichen Folge des Feudalisierungsprozesses nach der byzantinischen Okkupation Bulgariens, der gewaltigen Unterdrückung durch Kaiser und Klerus. »Kirchen und Klöster hielten sie für Fronhöfe des Teufels« (Grigulevic).
Die Theologie der Bogomilen, in Konstantinopel vermutlich ausgebaut, war, wie dann die des Katharismus, stark dualistisch geprägt und reichte über den spätantiken Manichäismus und Gnostizismus zurück bis zu dem altiranischen Propheten und Religionsstifter Zarathustra. Die Bogomilen verwarfen das Alte Testament, die Kreuz-, Reliquien-, Ikonenverehrung, die Bilder der Jungfrau Maria, verwarfen die Wunder, die Sakramente, Liturgie, die Gotteshäuser und die ganze klerikale Rangordnung, den Reichtum, die Ruchlosigkeit, die Unzucht der Katholiken. Sie verwarfen die Ehe, den Geschlechtsverkehr, sie enthielten sich des Fleischverzehrs sowie aller aus geschlechtlicher Kopulation hervorgegangenen Speisen, wurden aber auch von unübersehbaren sozialen Impulsen bewegt, die wohl stärker, jedenfalls ursprünglicher waren. So schreibt der im späteren 10. Jahrhundert in der Umgebung des bulgarischen Herrschers predigende und eine »Widerlegung« (Beseda) des Bogomilentums verfassende Priester Kosmas: »Sie lehren ihre Leute, den Herrn nicht zu gehorchen. Sie prangern die Reichen an, verabscheuen den (bulgarischen) Zaren, machen die Ältesten lächerlich und verfluchen die Edlen; wer dem Zaren dient, ist für sie verhaßt in den Augen Gottes, und sie verbieten allen Sklaven, dem Gebot ihrer Herrn zu folgen.«
Die Bogomilen, die eifrig missionierten, auch zu bescheidenen Gewalttaten neigten, etwa Kruzifixe demolierten und Werkzeuge daraus machten, verbreiteten sich rasch im Byzantinischen Reich und gelangten bis Rußland. Seit sie Kaiser Alexios I. Komnenos, ein rigoroser »Rechtgläubiger«, um 1110 durch ein Gericht von Senatoren und Geistlichen verurteilen und ihr Oberhaupt, den Mönch und Arzt Basileios, weil er nicht abschwur, samt seinem standhaften Anhang im Hippodrom verbrennen ließ, wurden sie im Osten verfolgt und 1211 auch von einem durch Boril, den Bulgarenzaren, einberufenen Konzil anathematisiert (ein Vorwand zwecks Ausschaltung politischer Gegner); sie wurden deportiert, eingekerkert, ihre Führer auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Sie konnten sich aber bis zur türkischen Invasion im 15.
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