Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kriminalgeschichte des Christentums Band 07 - Das 13 und 14 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 07 - Das 13 und 14 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 07 - Das 13 und 14 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
Vom Netzwerk:
Tendenz aber entwickelte sich eine kirchenkritische, ja kirchenfeindliche, überhaupt eine starke ökonomisch-soziale Komponente, das Ausbrechenwollen aus einem unwürdigen Ghetto, aus den übervölkerten Industriestädten; die damit verbundenen kommunalpolitischen Querelen kamen den »Ketzern« sogar zugute, da sie die Aufmerksamkeit der Bischöfe von ihnen abzogen oder doch schwächten.
    In diesem komplexen Prozeß infiltrierten häretische Strömungen kirchlich gelenkte Armutsbewegungen und umgekehrt. Neben der negativen Reaktion auf die überreiche und -mächtige Catholica, neben einer harschen Klerus- und Kirchenkritik, ja entschiedener Romfeindschaft stand somit das Anknüpfen an altchristliche Ideale, stand die »Nackt dem nackten Christus-Nachfolge«. Und so suchte Innozenz, der Nachfolger des Armen Menschensohnes, dessen Frohe Botschaft wieder mal für sich auszuspielen und die unterdrückten Bauern, die kleinen Handwerker gleichsam »evangelisch« aufzufangen und durch das Einbinden in monastische Traditionen in die Kirche zu integrieren. Jeder religiös »Entgleiste« sollte jetzt auf den goldenen katholischen Mittelweg zurückkehren können.
    Um dies zu erleichtern, duldete der Papst nun auch das Wanderpredigertum, das Apostolat der Armut, ja, er schickte selbst »arme« Wanderprediger aus, darunter auch Pierre de Castelnau. Der künftige Heilige entstammte französischem Adel, missionierte seit 1199 mit dem päpstlichen Legaten Rainer von Fossanova in Südfrankreich, wurde Zisterzienser und 1203 von Innozenz zum Gesandten in der Provence ernannt, um dort »den Frieden zu predigen und den Glauben zu befestigen«. Dabei konnte Pierre de Castelnau nicht einmal den laxen Erzbischof Berengar von Narbonne zu einem aktiveren Vorgehen gegen die Albingenser bringen. Und in Toulouse verweigerten Graf Raimund und die Konsuln jede Kooperation gegen Häretiker überhaupt.
    Jahrelang hatten so die kurialen Aktionen so gut wie keinen Erfolg – fast selbstverständlich, bedenkt man den Auftritt all dieser Legaten in Pracht und Luxus und einem Heer von Dienern. »Seht«, riefen die, die sie zu »bekehren« wünschten, »diese Leute wollen uns von unserem Herrn Jesus Christus predigen, der arm war und barfuß ging!« Wie denn auch Troubadoure das »heimtückische, verräterische und betrügerische Rom« attackierten (Guilhem Figueira), das weithin unpopulär, das vielen tief verhaßt war.
    So probierten Pierre de Castelnau und seine Helfershelfer 1206 eine zumindest für sie neue Methode aus. Beraten von dem gerade aus Rom zurückgekehrten seligen Diego von Azevedo, Bischof von Osma, und seinem Subprior Domingo de Guzman, dem künftigen Gründer des Dominikanerordens, kreierte man ein Konzept der »Ketzer«-Bekämpfung, das nichts anderes war als die Praxis der verfluchten Konkurrenz.

    Erwähnenswert beiläufig, daß der hl. Dominikus für seine Aufgabe, »zu Fuß als Ordensmann in evangelischer Armut das Wort der Wahrheit des Evangeliums zu predigen«, später noch viel Geld von keinem anderen als von Fulko (Foulques) von Marseille bekam. Dieser Bischof nämlich war einst als Troubadour so hinter dem plaisir d'amour her, daß ihn all seine Förderer verließen, daß er aus der Not eine »Tugend« machen, Pfaffe werden mußte, in den Zisterzienserorden (nebst Gattin und zwei Söhnen) eintrat, Prior wurde und schon 1205, durch Pierre de Castelnau, Bischof von Toulouse; statt Frauen-Bedichter nun »Ketzer«-Vernichter. »Der Kirche Spür- und Hetzhund«, sagt Lenau in seinen »Albigensern« von ihm, der über die neue Universität der Stadt schreiben ließ: »Sie vertilgt die Schlechten durch den Professor, durch das Feuer, durch das Schwert.« Allein in Toulouse, einer Hochburg der Häresie, sollen auf Fulkos Veranlassung 10000 »Ketzer« umgekommen sein.
    Man begann zu Fuß, in groben Kutten und ohne Geld, sozusagen arm wie die Apostel, das Land zu durchziehn. Man kam wie die Geistlichen der Katharer, man predigte in ihrer Art. »Es sind Menschen von bewährter Tugend«, preist Innozenz am 19. November 1206 seine neuen Propagandisten, »Nachfolger der Armut Christi, des Großen Armen. Sie fürchten sich nicht, in demütigem Gewand und mit glühendem Eifer nach Irrgläubigen zu suchen, um sie mit der Gnade Gottes durch das Beispiel ihres Lebens und die Weisheit ihrer Worte dem Irrtum zu entreißen.« Doch die neue alte Bauernfängerei verfing nicht. Schon durch seine Arroganz und Härte blieb der Legat verhaßt; er

Weitere Kostenlose Bücher