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Kriminalgeschichte des Christentums Band 07 - Das 13 und 14 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 07 - Das 13 und 14 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 07 - Das 13 und 14 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
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bewältigen gesucht.
    So hatte Lucius III. 1184 in der Dekretale »Ad abolendam« Petrus Waldes aus Lyon, einen wohlhabenden Kaufmann und (nach 1170) Gründer der Waldenser, der in manchen wie ein Vorläufer des Franz von Assisi anmutet, samt seinen »fratres« anathematisiert. Waldes war seitdem fast sein ganzes Leben auf der Flucht und »starb darum früh« (Vinay). Der Papst aber ahndete mit dem Bann weniger Verstöße wider den katholischen Glauben als wider den kirchlichen Gehorsam, nicht bloß damals aus bösem Grund die höchste Tugend. Denn den Waldensern – fast lauter armes, verachtetes Volk, das für die Kirche, so Otto Rahn in seinem ergreifenden »Kreuzzug gegen den Gral«, »nur soweit existierte, um es zu besteuern, wenn es rechtgläubig, oder zu verbrennen, wenn es ketzerisch war« –, den Waldensern ging es viel weniger um Theologie als um ein einfaches Leben in der Nachfolge Jesu und der Apostel. Noch anno 1217 nennt eine wohlinformierte Quelle die vier Hauptirrtümer der Waldenser: das Tragen von Sandalen nach Weise der Apostel, das Verbot des Eides und der Tötung eines Menschen, endlich die Lehre, daß jedes Mitglied der Sekte, trage es Sandalen, notfalls die Eucharistie konsekrieren könne.
    Nicht Dogmen oder Riten waren kontrovers, sondern die ungeheure Verkehrung der Bibel durch den Klerus, seine Gewalttaten, sein Reichtum, seine Heuchelei und Lügen. »Die Mißachtung der kirchlichen Gewalt« bestätigte Bernhard Guy (Guidonis), der Dominikanerinquisitor, im Midi einer der brutalsten der Zunft, in seinem »Handbuch« für Kollegen, »war die wesentliche Irrlehre der Waldenser, deretwegen sie auch exkommuniziert und Satan ausgeliefert werden ...« Mit den Waldensern jedoch ging Innozenz ganz anders um als seine Vorgänger, und so vermochte er zwischen 1208 und 1210 die meisten von ihnen wieder in die Kirche zu locken.
    Dasselbe gelang ihm mit der Mehrheit der Humiliaten, einer nach 1170 in lombardischen Städten entstandenen, teils in Klöstern, teils in Familienverbänden lebenden Laiensozietät, einer Art Arbeitergenossenschaft. Man stellte einiges bei ihnen ab, erlaubte ihnen anderes, wie die Gemeindebildung, besonders aber das Predigen, allerdings unter der Bedingung, sich auf sittliche Fragen zu beschränken und theologische den Geistlichen zu überlassen.
    Namhafte Waldenser, Durandus von Huesca oder Bernardus Prim, die sich »bekehrten«, durften als völlig mittellose Wanderapostel fast genauso weiterleben wie zuvor, nur daß sie jetzt ständig »ketzerische« Waldenser und Katharer bekämpften. Durandus gründete 1207 die »Katholischen Armen«, Bernardus Prim 1210 eine weitere pauperistische Gruppe, beide allerhöchst abgesegnet. Und zwischenzeitlich ersuchten hundert Waldenserprediger um Aufnahme in die Kirche, jedoch unter gewissen Vorbehalten; der Ausgang ist unbekannt. Später gab es vom Gros der Waldenser keine Annäherung mehr an die römische Kirche.
    Die Humiliaten verbreiteten sich rasch in der Lombardei, der Toskana, in Umbrien, und um 1215 bestanden in Italien 150, im ausgehenden 13. Jahrhundert rund 400 Humiliaten-Konvente. Freilich waren und blieben auch sie unsichere Posten, hat man sie verdächtigt und zuletzt, als zu kritisch, als häretisch, nicht mehr kirchlich anerkannt. 1571 wurde der männliche Orden nach einem geplanten Mordanschlag auf den hl. Karl Borromäus – sein Papstonkel Pius IV. (Vater zweier unehelicher Töchter und eines unehelichen Sohnes) hatte ihn sofort zum Kardinal gemacht – von Pius V. aufgelöst; das Ordensgut fiel u.a. den Jesuiten zu. Die Schwesternhäuser, die Humiliatinnen, erloschen im 19. Jahrhundert.
    Wie die Waldenser, hatten auch die Humiliaten der evangelischen Bedürfnislosigkeit nachgeeifert, wurden aber gleichfalls von Lucius III. 1184 als Häretiker gebannt. Innozenz hingegen verstand auch Franziskus und die Franziskaner an Rom zu binden, sie in der Kirche zu etablieren, was der Armutsbewegung zwar Auftrieb gab, ihre kritischen Impulse jedoch beträchtlich schwächte – der Sinn der Sache. 22
    Im übrigen kam es auch unter den »Pauperes Christi«, den »Pauperes Spiritu« (Armen im Geiste) wieder zu schweren Konflikten, spalteten sich etwa um 1205 die an Waldes orientierten Lyoneser Armen, die »Pauperes de Lugduno«, von den (nicht mit Rom rekonziliierten) »Pauperes Lombardi«. Waldes und sein Anhang hielten vorerst an der Orthodoxie fest, ebenso die 1208 und 1210 entstandenen, von Innozenz unter bestimmten Auflagen

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