Kriminalgeschichte des Christentums Band 07 - Das 13 und 14 Jahrhundert
des Slawenapostels Vicelin (VI 416), dem Augustinerchorherrn Meinhard. Nach 1182 zog er, schon bejahrt und begleitet von dem Zisterzienser Theoderich, mit deutschen Kaufleuten über Gotland in das Ostbaltikum, an den Unterlauf der Düna, um den heidnischen Liven »den Frieden Gottes« zu bringen.
Zu Livland (Livonia) rechnete man im Mittelalter, außer dem Siedlungsgebiet der Liven, auch das gewisser Teile der Esten, der baltischen Letten (Lettgaller), Kuren, Semgaller und Selen. Das Land aber, das diese Volksgruppen, Viehzüchter, Ackerbauern, Handwerker und Gewerbetreibende besaßen, reizte die umliegenden Völker zu Eroberungen. Die Dänen rückten auf Estland, die Schweden auf Kurland, Russen und Deutsche auf die Liven im engeren Sinn vor.
1185/1186 machte Erzbischof Hartwig II. von Hamburg-Bremen, einst Notar Heinrichs des Löwen, Meinhard zum Bischof von Üxküll (Ikskile), wo er bereits eine Kirche und eine Burg hatte errichten lassen, um »den Frieden Gottes« zu sichern. 1188 erkennt Clemens III., der große Propagandist des Dritten Kreuzzuges (VI 558 ff.), Üxküll als bremisches Bistum an und ermutigt den von Rückschlägen heimgesuchten Meinhard, den dann auch Papst Coelestin III. zum Durchhalten anspornt. Doch bei Meinhards Tod 1196 ist zwar die Christianisierung Livlands eingeleitet, aber nicht viel erreicht, da die Liven wieder abfallen, und dies nicht nur einmal. 11
Als sein Nachfolger Bischof Berthold, vordem Zisterzienserabt zu Loccum, »sich dem Herrn empfehlend« kurz in Üxküll auftaucht, streiten die Liven untereinander, ob sie den Bischof verbrennen, erschlagen oder ertränken sollen. Er entkommt jedoch und zieht aus dem Vorfall die Konsequenz. Eingedenk der markigen Maxime seines großen Ordensmeisters, des hl. Bernhard: »Greift also unbesorgt an, ihr Ritter ...«, »jagt unerschrockenen Herzens den Feinden des Kreuzes Christi nach« (VI 464 ff.), erschien Bischof Berthold im Frühsommer mit einem Heer an der Düna. Hatte doch auch der in diesem Jahr sterbende Coelestin III. (1195/1196) mittels einer Ablaßbulle Krieger an die baltische Front zu bringen gesucht, sogar schon der im Kampf wider seinen Gegenpapst die Welt belügende (VI 517 f.) Alexander III. (1171?) Dänen, Norweger und Goten »ad defendendum Christiane fidei veritatem« aufgerufen. Verlangte ja auch Innozenz III. in einer Kreuzzugsbulle 1199 den Krieg gegen die Heiden, ebenfalls Nachfolger Honorius III. 1217, 1218, 1219, 1220 und 1224.
Mit Hilfe seines Kreuzheeres wollte Bischof Berthold die livländische Kirche nur fester fundieren oder, anders gesagt, »den Frieden Gottes« begründen. Der geistliche Feldherr soll »vor Sehnsucht nach dem Opfertode geglüht« haben und wurde denn auch, aber kaum ganz freiwillig, sondern durch sein zu schnell voranstürmendes Pferd am 24. Juli 1198 im ersten Gemetzel von einer Lanze durchbohrt und von den Liven »Glied um Glied« zerrissen. Folgte die Vernichtung ihrer Saaten mit Feuer und Schwert, eine Massentaufe, und nach Abfahrt der »Pilgerflotte« – ihre letzten Segel standen noch am Horizont – spülten die Liven in den Dünafluten die Taufe wieder ab, plünderten die Christentempel und vertrieben alle Pfaffen. Und seitdem gibt es im Ostbaltikum den Typus des direkten Missionskrieges, »bei dem der Zwang zur Annahme der Taufe Ziel der Feldzüge war« (Benninghoven), setzte sich auch hier »die Schwertmission durch« (Handbuch der Europäischen Geschichte). »Mit Kreuz und Schwert wurde die Missionierung erkämpft«, rühmt noch in unseren Tagen ein Zisterzienser mit Imprimatur – »ein unvergängliches Ruhmesblatt in der Geschichte der Orden überhaupt.« 12
Zwei Jahre nach dem Schlachtentod des Seelenhirten zog ein neuer Kreuzzug heran. Denn inzwischen hatte Bremens Erzbischof Hartwig am 28. März 1199 einen Nachfolger ernannt, und natürlich seinen Neffen, den Leiter der Domschule, Albert von Bekeshovede (Bukshövden). Dieser war von vornherein auf ein geistliches Territorialfürstentum aus, das heißt auf Landesraub, war von Anfang an zur militärischen Eroberung Livlands entschlossen und suchte umfassende Rückendeckung. Er kontaktierte mit Kaufleuten Gotlands, mit weltlichen und geistlichen Großen. König Philipp von Schwaben, bei dem er 1199 in Magdeburg Weihnachten feierte, sicherte ihm wirtschaftliche Hilfe zu (und gab ihm 1207 seinen Großraub Livland als Lehen). Sofort fand Bischof Albert auch den Beistand des Papstes. In der Kreuzzugsbulle vom 5. Oktober 1199 rief
Weitere Kostenlose Bücher