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Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
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Jahrzehnte, seine Mätresse, was ungezählte andere Kontakte natürlich nicht ausschloß. Gleichwohl schrieb er ihr, als er sie mit Rücksicht auf den plötzlich Askese predigenden Pius II. (S. 269 ff.) in Venedig untergebracht, »meine Liebe, folge meinem Beispiel und bleibe keusch bis zu jenem Tag, an dem es mir erlaubt sein wird, zu Dir zu kommen, und wir unsere tiefe Zuneigung mit endloser Sinnlichkeit verschmelzen. Bis dahin lasse keine Lippen Deine Reize entweihen, lasse keine Hand jene Schleier heben, die mein höchstes Glück bedecken. Noch ein wenig Geduld, und ich werde haben, was er, den man meinen Onkel nannte, mir als Erbe hinterlassen hat, den Stuhl Petri. Unterdessen kümmere Dich mit großer Sorgfalt um die Erziehung unserer Kinder, denn sie sind bestimmt, über Nationen und Könige zu herrschen.«
    Vanozza unterzeichnete die Briefe an ihre Tochter gewöhnlich: »Deine glückliche und unglückliche Mutter.« 7
    Man kann gegen Alexander VI. sagen, was man will: als Papst übertraf er alle früheren und späteren Heiligen Väter an Fürsorge für die Seinen – ohne leider bis heute in der Kirche ein Standes-, ein Familien-Patron geworden zu sein. Immerhin spricht Ludwig von Pastor von dem »an sich edlen Untergrunde« dieser Verwandten- und besonders Kinderliebe. Zudem wurde der Borgia, seit 37 Jahren Kardinal, von vier Vorgängern, Pius II., Paul II., Sixtus IV. und Innozenz VIII., sehr geschätzt und galt im allgemeinen bei seiner Erhebung am 11. August 1492 als einer der Tüchtigsten im Kollegium der Kardinäle.
    Auch darüber hinaus aber fand er, nach doch fast lebenslangem hitzigem Herumgevögel, zunächst vielfach Anerkennung, Lob, nicht nur bei zahlreichen Römern, die ihn nun mit beinah paganem Pomp, mit Standbildern, Triumphbögen, Altären derart feierten, daß er vor Erschöpfung (was freilich, aus welchen Gründen immer, häufiger bei ihm vorkam) die Besinnung verlor und man ihm Wasser ins Gesicht goß. Auch der in Italien zum Dr. med. promovierte Nürnberger Hartmann Schedel, Humanist und Chronist, Besitzer einer der bedeutendsten Privatbibliotheken seiner Zeit, sieht den Neugewählten berufen, »billich vor andern zur gubernirung und leytung sant Peters schifleins«, preist ihn voller »gotßdienstlichkeit und kuntschaft aller der ding, die zu einer solchen hohen wirdigkeit und stand gepürlich sind. Darum selig ist der mit soviel tugenten geziert und in die höhe solcher öberkeit erhebt.«
    Nicht weniger als fünf Borgia machte Alexander VI. zu Kardinälen: Francesco, Lodovico, Juan Borgia, den Erzbischof von Valencia, Juan Borgia, den Erzbischof von Monreale, und Cesare, seinen Sohn. 1475 geboren und für den geistlichen Stand bestimmt, hatte Alexander den bereits durch Sixtus IV. und Innozenz VIII. generös Bepfründeten an seinem Krönungstag mit dem Erzbistum Valencia beglückt, das ihm 16000 Dukaten eintrug, ließ ihn aber vor der Ernennung zum Kardinal – mit achtzehn Jahren – durch den Eid falscher Zeugen als ehelichen Sohn eines andern ausgeben. 8
    Sein ältester Sproß, Don Pedro Luis, hatte sich im Maurenkrieg hervorgetan. Er wurde deshalb vom spanischen König 1485 zum Herzog von Gandia gemacht und setzte, bevor er schon 1488 in Rom verschied, seinen jüngeren Bruder Don Juan zum Erben ein, Alexanders Lieblingssohn, den er am 7. Juni 1497 mit dem Herzogtum Benevent und mehreren Städten belehnte. Obwohl so der Kirchenstaat für alle Zeit große Gebiete verlieren sollte, gab es im Kardinalskolleg nur geringen Protest, beherrschten es doch bereits die Spanier, darunter acht Blutsverwandte des Papstes. Am 14. Juni aber wurde Juan ermordet. Kein härterer Schlag, klagte Alexander, hätte ihn treffen können. »Wir liebten den Herzog von Gandia mehr als alles auf der Welt. Sieben Papstkronen würden Wir gerne hingeben, um ihn zum Leben zu erwecken.« 9
    Der Mörder des Herzogs von Gandia war wahrscheinlich niemand anderes als dessen Bruder Cesare; für viele Historiker, darunter Ranke, steht dies fest. Und nun wurde ausgerechnet der Mörder des päpstlichen Lieblingssohnes zum neuen Lieblingssohn des Papstes, wurde für ihn, wie er König Ludwig XII. von Frankreich bekannte, das Teuerste auf Erden – für wohl die meisten Geschichtsbetrachter: sein böser Geist. Mit fast jeder seiner Greueltaten war er einverstanden, wenn nicht von vornherein, dann hinterher.
    Cesare, der seinen Bruder umgebracht, weil er ihm beim Papst im Weg stand, wurde auch der Mörder seines Schwagers,

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