Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert
des Neapolitaners Alfonso Herzog von Bisceglie, des dritten und von ihr sehr geliebten Mannes der Lucrezia. Da er einem Attentat auf dem Petersplatz nicht erlag, erwürgte Cesares Privathenker Micheletto Co-reglia den von Frau und Schwester, der Prinzessin Squillace, fürsorglich gepflegten, aus Furcht vor Gift auch beköstigten Verwundeten im Bett.
Liquidieren ließ Cesare unter Eidbruch im Juni 1502 auch den in der Engelsburg eingekerkerten Astorre Manfredi, den sechzehnjährigen, beim Volk beliebten Herrn von Faenza, samt seinem Bruder. Erwürgen ließ er am 18. Januar 1503 Paolo Orsini und, am 8. Juni in Trastevere, wiederum durch Micheletto, wobei er, Cesare, heimlich zusah, den auf der Flucht gefangenen Papstsekretär Troche.
Das bevorzugte Mordmittel der Borgia – wie wohl der Pfaffen überhaupt – war allerdings Gift. Sie beseitigten damit besonders Prälaten, Bischöfe, Kardinäle, vergifteten aber auch einen päpstlichen General, einen französischen Gesandten, vergifteten Mitglieder der Familie Orsini und Gaetani sowie sonstige prominente oder begüterte Personen. Cesare erkundigte sich gelegentlich eingehend bei seinem Stückhauptmann Lorenz Beheim, später Kanonikus in Bamberg, nach der Zubereitung von Giften, die Lebensmitteldosen beigemischt werden und, je nach Wunsch, erst in einem Monat, in vier oder sechs Monaten wirken.
Vergiftet wurde damals, offenbar mit Einverständnis des Pontifex, falls er nicht gar, wie es hieß, Urheber der Vergiftung war, Kardinal Orsini, der einst zu Alexanders Erhebung maßgeblich beigetragen. Gleichfalls mit dessen Zustimmung wurde auch Pauls II. Neffe, Kardinal Michiel, vergiftet, hinter dessen Reichtum Cesare her war. Und im Sommer 1503 soll er auch den Kardinal von Monreale, Juan Borgia, vergiftet haben. 10
Nicht jeder dieser und weiterer Morde des Papstsohnes ist unumstritten. Doch gibt es niemand, der bezweifelt, daß er auch zu dem einen oder anderen angezweifelten Anschlag fähig gewesen wäre, ein Mann, der selbst den Papstkämmerer, den Liebling Alexanders, unter dessen Mantel abstach, daß dem Heiligen Vater das Blut ins Gesicht sprang. 11
Lucrezia Borgia, 1480 geboren, soll, wie besonders kirchliche Autoren gern betonen, gar nicht die Femme fatale, »die größte Hure, die es in Rom je gab«, soll vielmehr besser gewesen sein als ihr Ruf, zumal in etwas reiferen Jahren, als Fürstin in Ferrara, wo sie den Sturz des Hauses Borgia überstand, wenigstens zuletzt »im Zeichen religiöser Einkehr« (Batllori).
Zuvor diente sie als Marionettchen der Borgia-Politik in der dieser jeweils förderlichen, allein vom Opportunitätsprinzip bestimmten Ehen. Nach zwei wieder gelösten Verlobungen verheiratete der Vater nach seiner Papstwahl die Vierzehnjährige, deren Wert nun »ins Astronomische« stieg (Chamberlin), mit Giovanni Sforza aus dem Hause der Herzöge von Mailand und annullierte nach Änderung seiner Politik 1498 diese Ehe zugunsten (klingt hier zynisch) des siebzehnjährigen Prinzen Alfonso von Bisceglie, des unehelichen Sohnes Alfonsos II. von Neapel. Nach dessen Ermordung wurde Lucrezia 1501 in dritter Ehe mit Alfonso d'Este, dem Herzog von Ferrara, verbunden. (Was man sich, wie auch sonst stets, einiges kosten ließ. Allein für die Roben ihrer Ausstattung zahlte man zwischen fünfzehn- und zwanzigtausend Dukaten, allein für ihre Hüte, pro Stück, zehntausend Dukaten.)
Alles für die Familie!
Das hieß natürlich nicht zuletzt auch alles für Lucrezia. Der Heilige Vater, der ihr während seiner Abwesenheit wiederholt sogar die Regierung im Vatikan anvertraute, die Abwicklung von Staatsgeschäften (obwohl sie – dafür auch unnötig – nicht übermäßig intelligent gewesen), hatte sie besonders tief ins väterliche Herz geschlossen, wenn auch das ganze Ausmaß dieser Liebe gelind umstritten ist, die Quellen sich widersprechen, begreiflicherweise. Denn daß, so der katholische Papsthistoriker Seppelt, »ihr Vater und ihr Bruder Cesare mit ihr Blutschande getrieben hätten, kann nicht als einwandfrei erwiesen gelten« – na, immerhin. Die Behauptung Giovanni Sforzas, ihres wegen angeblicher Impotenz gefeuerten Ehemanns, der Papst habe »seine Tochter nur für sich selbst« gewollt und »bereits bei unzähligen Gelegenheiten Geschlechtsverkehr mit ihr gehabt«, mag ja der Wut entsprungen und erlogen sein, auch wenn die Intimität der beiden »die hartnäckigste Beschuldigung« war und blieb, auch wenn Juan de Borgia, der Herzog von Nepi,
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