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Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
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Mißernten, Hungersnöten, zumal von der großen Pest; dem kolossalen Schrumpfen der europäischen Einwohnerschaft (nach langsamem Anstieg zwischen 800 und 1300 von rund 30 auf 75 Millionen Menschen) wieder auf 45 Millionen im folgenden Jahrhundert. 28
    Dies aber bedeutete, das Werk vereinfacht, doch sinngemäß skizziert, einen enormen Arbeitskräfteverlust – in England beispielsweise büßten die Kirchengüter während der großen Pest die Hälfte ihrer männlichen Bauern über zwanzig Jahre ein. Das wieder bedeutete, die riesigen Ländereien konnten nicht mehr rentabel genug bewirtschaftet werden. Den größten Grundbesitz aber hatte weithin die katholische Kirche; folglich hatte sie auch das größte Interesse an der »Wiederbevölkerung«, folglich trieb gerade sie zum Kampf gegen Verhütung, Abtreibung, Kindstötung, folglich mußte vor allem die Trägerin des Verhütungswissens, die Hebamme, ausgerottet werden. Ergo beginnen im späten Mittelalter ziemlich jäh und vermehrt die Hexenverbrennungen, koordiniert 1484 Innozenz' VIII. Hexenbulle »die Unterdrückung der Geburtenkontrolle für das gesamte katholische Europa«, wird der »Hexenhammer« zum »Geburtenkontrollhammer«.
    Die Sicht der beiden Forscher ist bedeutsam, ihre Disqualifizierung von Gegnern nahezu ein literarischer Genuß, kurz, das so gründliche wie klare Buch, von manchem Neider, Mißgünstigen, Besserwisser niedergenörgelt, alles andere als unseriös, als abenteuerlich – wenn die aufschlußreiche Arbeit andere Motive der Hexenverfolgung auch nicht außer Kraft setzen, wenn auch das bevölkerungspolitische Kalkül, die prononcierte Konzentration auf die »weisen Frauen« als der fast einzigen Zielgruppe der Pogrome, nicht alles erklären kann, nicht immer das primäre Motiv gewesen ist, weil gewiß nicht nur Nüchternheit und zynische Rationalität den Ausschlag gaben. Ein mehr oder weniger hoher Anteil an pseudoreligiösem Fanatismus, abergläubischer Pfaffenhysterie und -dummheit, an materieller Raffsucht (nicht bloß längerfristig gesehen) bleibt. Und wie auch immer die verschiedenen Faktoren des Problems bewertet werden mögen, hinter all den horrenden Massakern steht unzweifelbar als Basis und immerwährender Anschub die Moral, besonders die Sexualmoral der Kirche.

10. Kapitel

Von Alexander VI. (1492–1503) bis zu Leo X. (1515–1521)
    »Seine Lebensweise war ausschweifend. Er kannte weder Schamgefühl noch Aufrichtigkeit, weder Glauben noch Religion. Außerdem wurde er beherrscht von einer unersättlichen Habgier, von einem grenzenlosen Ehrgeiz und von einer brennenden Leidenschaft, seine zahlreichen Kinder zu fördern, die bei der Ausführung seiner schändlichen Befehle bedenkenlos die scheußlichsten Mittel anwandten.«
    Der florentinische Geschichtsschreiber Francesco Guicciardini über Papst Alexander VI. 1

    » ... ein glücklicher Vater von nicht weniger als zwölf Kindern, Männlein und Fräulein.«
    Ferdinand Gregorovius über Papst Pius III. 2

    »Von der Reinheit seiner Absichten und der Höhe seiner Stellung durchdrungen, verfolgte er unentwegt seine hochgesteckten Ziele.«
    Ludwig von Pastor über Papst Julius II. 3

    » ... seine religiösen Verpflichtungen erfüllt er gewissenhaft, aber er will leben und das Leben genießen.«
    Der venezianische Botschafter Marco Minio über Papst Leo X. 4

Es ist ein merkwürdiges und irritierendes Phänomen – das aber nur wenige zu irritieren scheint, zumal unter katholischen Theologen und Historikern –, daß sie das Martyrium von Tausenden, von Hunderttausenden unschuldig gefolterter, oft auf scheußlichste Art ermordeter Männer und Frauen, Menschen jeden Alters, anscheinend weit weniger bedrückt als das sexuell anrüchige Leben eines Papstes, besonders das Alexanders VI.
    Gewiß hat auch Alexander gelegentlich einen größeren Krieg betrieben oder erlaubt. Doch wie selten, und wie beinah bescheiden nimmt es sich aus neben all den monströsen Gemetzeln so vieler seiner Vorgänger und Nachfolger, die keine Erotomanen waren, die nicht als unsterbliche Schandflecken gelten.
    Die Kriminalgeschichte ist kaum der Ort, Pluspunkte eines Papstes zu sammeln, etwa Borgias Pünktlichkeit, seine juristischen, seine bürokratischen Qualitäten, seine herausragende Amtsführung als Vizekanzler, die weltberühmten, in seinem Auftrag von Bramante geschaffenen Bauten, die anno 1500 vollendete Pietà des jungen Michelangelo oder den Prozeß, den er, wenig bekannt, den Hexenjägern

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