Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert
Institoris und Sprenger in Straßburg machen ließ.
Aber zwei bei ihm überraschende Züge seien festgehalten. Einmal ein gewisses Mitgefühl für Arme. Denn so ungeheuer er sich selbst bereicherte, er kam gerade unbemittelten, hilflosen Gesuchstellern entgegen, wie ihn überhaupt die große Menge mochte. »Für die kleinen Leute waren die elf Jahre des Borgia-Pontifikats Jahre der Freiheit und des unverhofften Wohlstands«, schreibt Hans Conrad Zander. »Was immer er verbrach, im Volk blieb Alexander ›der Sünder‹ die ganzen elf Jahre über so beliebt wie in der Stunde seiner Wahl.«
Zum zweiten war er auffallend tolerant, zumindest stupend nachsichtig gegenüber Schmähern seiner Person, mochten sie ihm noch so übel mitspielen. Von Zensur, gar Inquisition in seiner Umgebung wollte er nichts wissen. »Rom ist eine freie Stadt«, sagte er am 1. Februar 1502 zu dem ferraresischen Gesandten. »Hier kann jeder denken und schreiben, was ihm selber gutdünkt.« Der Devise »leben und leben lassen« huldigte der fast immer gut gelaunte, auch im Alter blühend aussehende Alexander VI. allerdings nicht. 5
Die heilige Familie
Rodrigo de Borja y Borja wurde um 1430 in der Nähe von Valencia vermutlich als unehelicher Sohn seines »Onkels«, des späteren Papstes Calixt III., geboren; seine Mutter war eine Schwester Calixts (S. 268). Der »Onkel« machte ihn 1456, fünfundzwanzigjährig, zum Kardinal, im nächsten Jahr zum Vizekanzler des Heiligen Stuhls, ein Amt, das ihm, unter vier Päpsten ausgeübt, ein Riesenvermögen einbrachte. Er galt nach dem Franzosen d'Estouteville als reichster Purpurträger, und die Kardinäle zählten zu den reichsten Männern Europas. Sein unermeßliches Vermögen aber verwandte er, um sich das Papsttum zu erkaufen – mit tausend Betrügereien, wie damals der venezianische Gesandte in Mailand schrieb.
Andere Kandidaten kamen dagegen nicht auf, auch nicht Giuliano della Rovere, für dessen Durchsetzung Genua 100000, der französische König 200000 Dukaten in einer Bank hinterlegt hatten. »Ziemlich zuverlässige Berichte wissen von der Bereitstellung großer Summen für das Konklave von mehreren Seiten« (Handbuch der Kirchengeschichte). Der Borgia warf nur so um sich mit Benefizien, Immobilien, Posten. Er versprach Villen, Städte, Kastelle, Bistümer, Abteien, allein die Abtei Subiaco mit 22 Burgen »auf ewige Zeit«. Auch den eigenen prächtigen Palast samt allen Schätzen bot er feil, auch das Vizekanzleramt und natürlich Geld.
Dem selbst enorm begüterten Ascanio Sforza, Sohn des Mailänder Herzogs Francesco, schickte der künftige Papst, so hieß es in Rom, noch vor dem Konklave vier mit Geld beladene Maultiere ins Haus. So erhielt der Borgia schon im ersten Wahlgang Ascanios Stimme und dieser, dem er nach eigener Aussage die Tiara vor allem verdankte, das Kastell von Nepi, das Bistum Erlau, das Vizekanzleramt, ein Priorat, eine Abtei u.a. Nur fünf Kardinäle von insgesamt 25 erwiesen sich als unbestechlich.
Ein Mann hatte die höchste Würde bekommen, notierte seinerzeit der Annalist der Kirche, den die alte Kirche wegen seines unsittlichen Lebens nicht einmal zu den untersten Stufen des Klerus zugelassen hätte. Denn die Sexualexzesse des Borgia waren weithin bekannt.
Zwar soll er noch als Zwölfjähriger, berichtet ein Chronist, einen Jungen seines Alters, doch »von niedriger Geburt«, getötet haben, »indem er ihm seine Schwertscheide immer wieder in den Bauch rannte«, weil er »unanständige Reden geführt«. Doch bald ließ er alle Prüderie hinter sich, wurde ein notorischer Frauenjäger, verführte u.a. eine spanische Witwe von großer Attraktion nebst ihren beiden Töchtern, lehrte sie, wird überliefert, »die abscheulichsten Perversionen« und machte der Jüngeren drei Kinder, die er als seine leiblichen anerkannte: Pedro Luis, Jerónima und Isabella; Ur-Ur-Enkel der letzteren: Papst Innozenz X. (1644–1655). 6
Eine besondere Rolle unter den vielen Frauen, die der Borgia mehr oder weniger beglückte, die er an sich zog »stärker als der Magnet das Eisen anzieht«, war die schöne Römerin Vanozza de Catanei.
Als er die Achtzehnjährige 1461 während des Konzils von Mantua kennenlernte, soll er bereits mit deren Mutter und vielleicht auch mit ihrer Schwester geschlafen haben. Doch Vanozza, von der er zwischen 1475 und 1481, also als Kardinal, vier beinah abgöttisch geliebte Kinder bekam und fürstlich versorgte, wurde für lange, für mehr als zwei
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