Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
Vom Netzwerk:
vielleicht doch nicht der Sohn von Vater und Tochter gewesen ist.
    Aber sind auch die von Johann Burkard, dem kurialen Zeremonienmeister, in seinem Tagebuch berichteten »Turniere« erfunden? Sind sie nur »Propagandalegenden«? Die Bespringung der Stuten durch die Hengste, wobei sich Vater und Filia beifallsreich aufgegeilt, bevor sie sich zusammen für eine Stunde im Palastinnern eingeschlossen haben? Oder das »Hurenturnier«, auch »Kastanien-Ball« benannt, bei dem am 31. Oktober 1501 im Vatikan fünfzig der schönsten Nutten Roms – es gab damals 50000 in der Heiligen Stadt – splitternackt und auf allen vieren verstreute Kastanien um die Wette eingesammelt, ehe »zur Erbauung aller Gäste« die Dirnen selbst »fleischlich angegangen« wurden; »dieses Mal war es die gnädige Frau Lucrezia, die neben dem Papst auf einem Podium präsidierte, und den Besuchern die Prämien aushändigte«. 12
    Wie auch immer, längst war offenbar: Alexander VI. hatte bloß zwei große, ihm ungemein bekömmliche Leidenschaften, die Stillung seiner Wollust und die Erhöhung der Seinen. Vor allem letzteres bestimmte den Regierungskurs. Alexanders Politik war ganz vorherrschend Italienpolitik, Innenpolitik, und diese gelenkt von den Familieninteressen.
    Auch die wiederholten schroffen Frontwechsel dienten seinen Kindern.
    Zunächst lag der Papst noch im Konflikt mit König Ferdinand I. Ferrante, der ihn beschuldigte, ihm seit Beginn seiner Regierung nur Schlimmes angetan, nur an sein Verderben gedacht zu haben. Doch dann unterstützte er Neapel gegen Frankreich, wobei er systematisch die Versorgung seiner Sippschaft betrieb, von der man sagte, nicht zehn Papsttümer würden reichen, sie zu befriedigen. Nach Ferdinands Tod am 25. Januar 1494 erkannte er dessen Sohn Alfonso II. als König an, und am 7. Mai feierte man die Hochzeit von Jofré Borgia, dem zwölf- oder dreizehnjährigen jüngsten Papstsproß mit Sanzia von Aragón, einer Tochter Alfonsos, den damals Kardinal Juan Borgia in Neapel krönte. Jofré bekam das reiche Fürstentum Squillace mit 40000 Dukaten jährlicher Einkünfte, er wurde Graf von Coriata und Statthalter des Königreichs. Papstsohn Juan, Herzog von Gandia, wurde zum Fürsten von Tricarico, Grafen von Claromonte, Grafen von Lauria, Grafen von Carinola ernannt. Und auch Papstsohn Kardinal Cesare bekam reiche Benefizien. 13
    Nun aber erfolgte der Einfall Karls VIII. von Frankreich, der erste von den Vorstößen dreier französischer Könige in das Land binnen zwanzig Jahren.

Franzosen- und Türkeninvasion

    Anfang September 1494 überstieg König Karl mit seiner Armee den Paß am Mont Genèvre und drang in Piemont ein, gegen den Willen seiner Räte, seiner Feldherren, seines darbenden Volkes, doch von Ruhmgier getrieben und aufgewiegelt von Alexanders Todfeind Kardinal Giuliano della Rovere (nachmals Papst Julius II.).
    Als Erbe der Anjou erhob Karl Ansprüche auf Neapel, proklamierte aber auch den Krieg gegen die Türken, die Eroberung des Heiligen Landes, prangten doch auf den schneehellen Seidenfahnen seiner Soldaten die Parolen »Voluntas Dei« (Gottes Wille) und »Missus a Deo« (Gottgesandter). »Das Schwert ist gekommen ..., der Herr ist's, der diese Heere anführt«, rief Savonarola, der Karl als allerchristlichen König begrüßte, einen 22jährigen verwachsenen fremden Eroberer, an dem alles extrem war, der Körper klein, der Kopf unförmig dick, die Augen groß und glanzlos, die Nase riesig, die Beine spindeldürr. Manche empfingen ihn mit französischen Fahnen, französischen Wappen; die Colonna, die Orsini – durch Heirat mit den Borgia verbunden – gingen zu ihm über. Florenz ließ 120000 Goldgulden springen. Gelegentlich freilich, wie bei der Erstürmung Rapallos, wurden alle Einwohner niedergemacht und noch die ärmsten Dörfer geplündert.
    Alexander VI., der sich mühte, den Feind vom Vorrücken abzuhalten, geriet immer mehr in Aufregung. Auch befürchtete er, im Bewußtsein des erkauften Amtes, die Ladung vor ein Konzil, die Absetzung und Aufstellung eines Gegenpapstes. Er suchte überall Hilfe, sogar beim Erbfeind, bei Sultan Bayezid II. Er billigte auch die Verbindung seines Alliierten Alfonso von Neapel mit dem Türken, schwankte im übrigen, immer ratloser, unschlüssig hin und her, wollte sich bald verteidigen, bald fliehen. Und als die Franzosen, von den Astrologen angeraten, an Silvester 1494 in Rom einrückten, die Stadt plünderten, Juden erwürgten, die Synagoge zerstörten,

Weitere Kostenlose Bücher