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Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
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preisen die Mildtätigkeit des mediceischen Papstes über die Maßen: 6000 Dukaten Almosen pro Jahr! Sein eigener Haushalt aber verschlang jährlich annähernd 100000 Dukaten (während Julius II. den seinen noch mit 48000 Dukaten bestritt). Tausende verpraßten die Kardinäle bei einem einzigen Bankett. Nur für Geschenke und Kartenspiel ließ Leo 8000 Dukaten monatlich springen, ebensoviel für seine Tafel. Bruder Giuliano beglückte er zu dessen Hochzeit mit 16000 Dukaten. Und bedenkt man, daß Leos Arzt Archangiolo monatlich acht Dukaten verdiente, mag man ermessen, was es heißt, daß die Giuliano zugewiesenen Einkünfte jährlich 59600 Dukaten betrugen, ja daß der Papst allein für die Hochzeitsfeier des Bruders 150000 Dukaten gezahlt haben soll.
    Giuliano heiratete Filiberta, die Tante Franz' I. von Frankreich, die erste königliche Heirat im Hause Medici. König Franz erhob Giuliano zum Herzog von Nemours, und Leo hatte den geliebten Bruder für Großes in Italien ausersehen, ihm ein Fürstentum mit den Städten Modena, Parma, Piacenza, Reggio zugedacht, wohl auch die Krone von Neapel. Doch starb Giuliano durch Ausschweifungen erschöpft (mancher munkelte auch am Gift des eifersüchtigen Lorenzo), erst 37 Jahre alt, schon 1516 in Florenz; sein einziger Erbe, der uneheliche Sohn Ippolito Medici, wurde später Kardinal.
    Tief betroffen übertrug der Papst nun – es erinnert an Alexander VI. und Cesare (S. 325) – die große Neigung zu dem Bruder auf den Neffen Lorenzo, den er bereits zum Kapitän der Florentiner, zum Oberbefehlshaber über die päpstlichen Truppen, dann auch zum Herzog von Urbino gemacht. Und als Lorenzo im März 1518 nach Frankreich zog, um Madeleine de la Tour d'Auvergne zu heiraten, schätzte man seine Geschenke für die Braut und für Königin Claudia auf 300000 Dukaten. (Dem König selbst überbrachte er in einer Bulle die Erlaubnis, den Türkenzehnten beliebig zu verwenden.)
    Leos Vetter Giulio avancierte gleich nach der Papstwahl an einem Tag vom ziemlich bescheidnen Mönchsjob eines Priors zum Erzbischof von Florenz, nicht ohne Meineid übrigens, da Giulio unehelich geboren war, ein kanonisches – wieder an die Borgia erinnerndes (S. 325) –, durch die Lüge aus dem Weg geräumtes Hindernis, seine Eltern seien verheiratet gewesen. Kraft dieses beurkundeten Schwindels konnte der Nepote nicht nur das Kardinalat gewinnen, sondern auch den enorm ergiebigen Posten des Vizekanzlers, ja schließlich Papst Klemens VII. werden.
    Kardinal wurde der Sohn von Leos Schwester Maddalena, Innocenzo Cibò, der Enkel Papst Innozenz' VIII.; Kardinal wurde der Sohn von Leos Schwester Lucrezia, Giovanni Salviati; Kardinal wurde der Sohn von Leos Schwester Contessina, Niccolò Ridolfi. Und auch der Nepote Lodovico Rossi bekam den roten Hut. Gleichfalls genossen selbstverständlich angeheiratete Verwandte die allerhöchste Gunst. So erhielt, nur ein Beispiel, der Mann von Maddalenas Tochter Caterina, Giovan Maria da Varano von Camerino, das Gebiet von Sinigaglia, die Herzogswürde und die Stelle des römischen Stadtpräfekten. 42
    Der Aufwand unter Leo X. war exorbitant. Er und sein Hof vergeudeten sagenhafte Summen.
    Woher kam das Geld?
    Man hat das päpstliche Staatseinkommen im März 1517 – gezogen aus Flußzoll, Landzoll, den Alaunwerken von Tolfa, den Salinen von Cervia, den Einkünften aus Spoleto, der Mark Ancona, der Romagna u.a. – auf 420000 Dukaten berechnet. Außerdem erbrachten die sogenannten geistlichen Erträge aus Annaten und Kompositionen rund 200000 Dukaten, die käuflichen Ämter (der Kollegien der Porzionari di Ripa, der Cubiculari, Scudieri, der erst ad hoc geschaffenen Cavalieri di S. Pietro), die der Papst bis zu seinem Tod um über tausend schwer geschröpfte Mitglieder auf 2150 erhöhte, einen Kapitalwert von fast drei Millionen Dukaten. Dazu kamen die Akzepta aus den Zehnten sowie den enorm strapazierten Jubiläen und Ablässen, Riesentransaktionen, Objekte des Protests und der Satire, die Gelder aus gehäuften Kardinalsernennungen, aus Konfiskationen und anderen kurialen Finanzgeschäften.
    All diese Kapitalien wurden kaum so schnell eingenommen wie ausgegeben. Man mußte deshalb Anleihen machen, mitunter bis zu vierzig Prozent Zinsen zahlen, mußte die Teppiche des Papstes verpfänden, die kostbarsten Heiligenstatuen, das Silbergeschirr, die Kronjuwelen. Seit dem Florentiner Kirchenhaupt gab es dreißig florentinische Banken in Rom – und Schulden über Schulden, nur beim

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