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Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
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Kardinal auf offener Straße ab (S. 342.). 37
    Julius gab nicht nach. Er wollte die Franzosen, die er einst selbst nach Italien gelockt, um Papst werden zu können, um jeden Preis wieder vertreiben. Tag und Nacht dachte er daran. »Hinaus mit den Barbaren«, rief er oft. Doch ganz beiseite, daß er alle, Franzosen, Spanier, Schweizer, selber gerufen, er begehrte natürlich kein freies Italien, sondern ein unabhängiges Papsttum.
    So betrieb er eine neue Einkreisung und schloß im Herbst 1511 eine weitere, eine »heilige Liga« mit Venedig, Ferdinand dem Katholischen, Heinrich VIII. von England. Doch am 11. April 1512, am hl. Ostersonntag, wurde das spanisch-päpstliche Heer bei Ravenna von dem überragenden Feldherrn Gaston de Foix, dem Neffen des französischen Königs, schwer geschlagen, seit Jahrhunderten eine der blutigsten Metzeleien auf italienischem Boden. »Es war entsetzlich zu sehen«, berichtet Jacopo Guicciardini seinem Bruder, dem florentinischen Geschichtsschreiber Francesco, damals Gesandter in Spanien, »wie jeder Schuß des schweren Geschützes unter den Hommes d'armes eine Gasse brach, die Helme mit den Köpfen und verstümmelte Glieder in die Luft flogen.«
    In jedem Heer stritt ein Kardinallegat, beide übrigens alte Freunde, im französischen Sanseverino, im päpstlichen der in Gefangenschaft geratende Giovanni Medici: ein Jahr darauf Leo X. Und noch ein weiterer Medici und künftiger Papst, Clemens VII., war an dem Blutbad beteiligt. Zehntausend Leichen lagen auf dem Schlachtfeld, und Ravenna wurde durch fürchterlichen Terror, durch Mord- und Raubexzesse heimgesucht.
    Da aber auch Gaston de Foix (Ludwig Pastor, mehr als Katholik denn als Stilist begnadet, nennt ihn dreimal in drei Dutzend Zeilen »genial«), gefallen war, bekamen die Alliierten allmählich wieder das Ruder in die Hand, besonders durch die über die Berge herabströmenden Schweizer. Frankreichs Herrschaft in Oberitalien brach zusammen, die Reste seiner Truppen retteten sich über die Alpen. Und nun plante Julius II., der jeden sehr Starken an seiner Seite abzuhalftern suchte, gegen einen weiteren Bundesgenossen zu ziehen, wider dessen Übermacht er im November einen Beistandspakt mit Kaiser Maximilian schloß: die Spanier. Man sprach bereits von ihrer Vertreibung aus Italien, der Papst selbst erklärte, er hasse die Spanier nicht weniger als die Franzosen, und sagte zu dem Kardinal Domenico Grimani, indem er seinen Stock auf den Boden stieß: »Wenn Gott mir das Leben läßt, so werde ich auch die Neapolitaner von dem auf ihnen liegenden Joche befreien.«
    Doch die Tage Julius' II. waren gezählt. Schon länger leidend, seit einigen Wochen fieberkrank, starb er in der Nacht zum 21. Februar 1513, erst auf dem Totenbett bekennend, nicht gelebt und nicht regiert zu haben, wie er sollte.
    Der Papst hatte nichts von einem Priester an sich, so Francesco Guicciardini, als Rock und Namen. Sein ganzer Pontifikat war vom Krieg beherrscht. Gewiß, ungezählte Päpste führten Kriege. Aber nur wenige kämpften selbst dabei, und nur wenige so fortgesetzt, so senil verbissen. Alles Kirchliche war marginal. Und es diente – wie freilich immer in Kurienkreisen und weit darüber hinaus – der Politik, von den Exkommunikationen, den Bannflüchen bis zu der Eröffnung des 5. Lateranums am 3. Mai 1512 in Rom, womit Julius, ringsum von Soldaten geschützt, erfolgreich einem Konzil aufsässiger Kardinäle in Pisa begegnete, das seine Absetzung betrieb. 38

Papst Leo X. (1513–1521) »Nunc triumphabimus, amici«

    Der Nachfolger erwies sich, wie nicht selten, in vielem als das Gegenteil, und dies, wiederum nicht ungewöhnlich, ohne gerade besser zu sein.
    Giovanni de'Medici, Leo X., war der zweite Sohn des Lorenzo il Magnifico (S. 285 f.), der schon das Kind, den Siebenjährigen, mit der Tonsur, mit vielen Pfründen versehen ließ. Mit acht Jahren wurde der kleine Giovanni Abt von Front Douce in Frankreich, mit neun Abt in Passignano, mit elf im berühmten Monte Cassino. Und schon den Dreizehnjährigen ließ der ebenso reiche wie einflußreiche Vater durch Innozenz VIII., den Hexen-Bullen-Pontifex, zum Kardinal ernennen.
    Bereits mit 37 Jahren erhält der Medici selbst die Tiara – womöglich nur, weil man ihn damals einer Fistel in der Aftergegend wegen von Florenz nach Rom in einer Sänfte getragen, im Konklave sogar operiert hatte und jedem, der es hören wollte, zumal älteren Wählern, seinen bedenklichen Gesundheitszustand, seine

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