Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert
päpstlichen Kontingenten (letztere unter den Nepoten Lorenzo und Kardinal Giulio Medici) die Hauptmacht der Liga 30000 Eidgenossen. Sie galten als unbesiegbar und wurden persönlich durch den Bischof von Sitten, Kardinal Schiner, einen notorischen Scharfmacher, gegen die Tod und Verderben speienden Geschütze der Franzosen geführt, 60 größere Kanonen und 100 sogenannte Feldschlangen. Doch als am Abend des zweiten Schlachttages noch venezianische Kavallerie in das Gemetzel eingriff, unterlag die Liga.
Leo X., den schon eine vorschnelle, in Rom Jubel und Freudenfeuer auslösende Siegesmeldung erreicht hatte, war so bestürzt durch die Niederlage, daß er wieder einmal scheinbar die Seiten wechselte, ja persönlich zum Sieger reiste. Franz I. fiel zwar in Bologna dreimal protokollgerecht vor Leo aufs Knie, küßte ihm Fuß und Hand und erwies ihm vielerlei Aufmerksamkeiten (nur den Kommunionempfang lehnte er ab), schloß aber einen für Frankreich vorteilhaften Vertrag, der den Papst um Parma und Piacenza brachte, um Modena und Reggio, und den bald darauf sterbenden spanischen König Ferdinand den Katholischen empört nach Rom schreiben ließ, daß seine Heiligkeit bisher wohl ein doppeltes Spiel gespielt und »all sein Eifer um die Vertreibung der Franzosen aus Italien nur eine Maske gewesen«.
Tatsächlich freilich verabscheute Leo die Herrschaft der Franzosen in Italien, verhandelte er auch mit Spanien und dem Kaiser weiter, ja ließ Maximilian ausdrücklich versichern, der alten Liga mit ihm treu zu bleiben. Überdies hielt er sich, eines seiner größten Schurkenstücke, mit nur widerwillig gewährtem französischem Beistand, schadlos durch den Raub von Urbino. 45
1508 hatte dort Julius II. seinen Neffen Francesco Maria Rovere zum Herzog gemacht (S. 342). Und jetzt sollte da Leos Neffe Lorenzo Medici Herzog werden. Es war eigentlich ganz logisch. Vergebens traten denn auch König Franz für den Rovere ein, vergebens dessen Adoptivmutter Herzogin Elisabetta Gonzaga von Urbino, die Witwe des Vorgängers, vergebens Leos eigener Bruder. Wiederholt und noch sterbend erflehte Giuliano die Gnade des Papstes, erinnerte er an die den vertriebenen Medici jahrelang durch das Haus Urbino gewährte Gastfreundschaft. Der als so friedlich und freundlich gerühmte Leo schleuderte den Bann gegen Julius' II. Nepoten, den »Hochverräter«, der ihn gegen Frankreich im Stich gelassen, und setzte seine Krieger, unterstützt von französischen Truppen, von drei Seiten gegen Urbino in Marsch, wo mit Wirkung vom 18. August 1516 Lorenzo Medici als Herzog residierte.
Doch der verjagte, zu seinem Schwiegervater Francesco Gonzaga nach Mantua geflohene Rovere kehrte von dort zu Leos großer Verblüffung und Wut mit einer kleinen Heerschar Anfang Februar nach Urbino zurück und stritt monatelang, bis tief in den Sommer hinein, in Umbrien gegen die päpstliche Soldateska, »wie fast immer, der Auswurf der Nationen, raubgierig und ohne Disziplin« (Gregorovius), was Leo gewaltige Summen gekostet und trotz der Erhebung von Kriegssteuern im gesamten Kirchenstaat enorm verschuldet hat. Auch verlor er erheblich an Prestige, da er die ganze Christenheit um Beistand aufgerufen in einem Kampf, bei dem es im Grunde um kaum mehr ging, als um die Beseitigung des einen Papstneffen durch einen anderen Papstneffen, einen Familienkonflikt, um nicht zu sagen eine Privatsache, wenn auch eine besonders schäbige. 46
Noch während dieses Krieges, Ende April 1517 war es zu einer weiteren sehr christlichen Auseinandersetzung gekommen, der Aufdeckung einer Verschwörung gegen das Leben des Papstes.
Das mehrere, auch prominente Kardinäle involvierende Komplott hatte der junge Kardinal Alfonso Petrucci wegen schwerer Benachteiligung, des Entzugs der Herrschaft seiner Sieneser Familie initiiert, die sich um den Papst besonders verdient gemacht. So plante der empörte Purpurträger einen Racheakt, einen Giftmord durch den angesehenen Arzt Battista da Vercelli. Die Sache flog jedoch auf, der Kardinal wurde kraft päpstlichen Befehls unter Wortbruch und Verletzung des Freien Geleits in Rom verhaftet und mit seinem Kollegen Bandinello Sauli ins tiefste Verlies der Engelsburg geworfen, bald gefolgt von Kardinal Riario, den man infolge einer Ohnmacht in den Kerker trug. Vermutlich hat man, doch widersprechen die Quellen einander, die Herren gefoltert und Petrucci selbst, der einen Beichtvater ablehnte, nach einem abermaligen Wortbruch des Papstes, erwürgt oder
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