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Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
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enthauptet. Sein Sekretär Marc Antonio Nino und Battista da Vercelli wurden erst entsetzlich gemartert, dann gehängt und gevierteilt, auch weitere Personen hingerichtet oder zu den Galeeren verurteilt, im günstigsten Fall nur geschröpft (je 25000 Dukaten). 47
    Indes Papst Leo so sich mehr oder weniger blutig mit seinem Heiligen Kollegium herumschlug und in Umbrien den Neffen seines Vorgängers bekriegte und besiegte, kritisierte jenseits der Alpen ein noch fast unbekannter Mönch das Ablaßwesen und verfaßte schließlich 95 Thesen dagegen (der Anschlag an die Wittenberger Schloßkirche ist umstritten).

11. Kapitel

Der Ablaß
Vom katholischen zum protestantischen Luther
    »Das Credo des Credits«.
    Horst Herrmann 1

» ... eine echte dogmengeschichtliche Neubildung«
    Schon zur Zeit des Johannes Hus, des tschechischen Vorläufers von Luther, hatte man in Prager Kirchen große Truhen für die Ablaßgaben aufgestellt (S. 194) und bei Mangel an Bargeld auch Waren angenommen. Bei Luthers Debüt war der Ablaß längst ein reines Finanzgeschäft, eine Ausbeutung gerade der gläubigen Massen. Und nicht nur der Klerus, die römische Kurie, die Bischöfe, Ablaßprediger, Beichtväter, wollten davon profitieren, auch die Landesfürsten, Wechsler, Agenten.
    Ablaß, was heißt das?
    Im Katholizismus lateinischer Tradition, nicht in den Ostkirchen, unterscheidet man zwischen Sündenschuld (culpa) und sogenannter zeitlicher Sündenstrafe (poena). Sündenschuld und ewige Sündenstrafen werden in der Beichte, im sogenannten Sakrament der Buße ausgelöscht. Es bleiben aber seltsamerweise (als wäre da nicht alles seltsam!) die auf Erden oder im »Fegfeuer« abzubüßenden zeitlichen Sündenstrafen. Und offenbar bleiben sie nur, um eben durch Ablässe getilgt werden zu können; entweder ganz durch vollkommene Ablässe, die
alle
zeitlichen Sündenstrafen, oder durch unvollkommene Ablässe, die bloß ein
begrenztes
Maß dieser Strafen nachlassen. Stürbe also jemand gleich nach Gewinnung eines vollkommenen Ablasses, käme er »sofort, ohne die Flammen des Fegfeuers zu berühren, in den Himmel« (Beringer).
    Leider hat dieses Glück nicht jeder. Daher schuf Mutter Kirche in nie ruhender Seelsorge noch unvollkommene Ablässe. Die dabei genannten Zeitmaße bezeichnen jedoch keine auf Erden oder im Fegfeuer abzubüßende Zeit, sondern die Zeit, die im Frühmittelalter ein Büßer auf sich nahm, um seine Sünden loszuwerden (S. 302 f.). Jedenfalls ist der Ablaß, wie etwa auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil 1965 der melchitische Kardinalpatriarch hervorhob, erst im Mittelalter aufgekommen und ein Problem allein der römischen Kirche.
    Weitere diesbezügliche Details ersparen wir uns, da hier, wie üblich in der Theologie, so gut wie alles auf Fiktionen, auf Hirngespinsten beruht. Und obgleich die Kirche behauptet, »Christus« habe ihr die Vollmacht zur Ablaß-Gewährung gegeben, weiß das Neue Testament vom Ablaß nichts. Er ist, weiß dafür das Lexikon für Theologie und Kirche, »eine echte dogmengeschichtliche Neubildung«, über die sich freilich, so der evangelische Theologe Heinrich Bornkamm, die Gelehrten »bis zum heutigen Tage nicht einig« sind. Kein Wunder, war doch das fiskalische Problem allemal interessanter für die Kirche als das theologische, das »creditum« wichtiger als das »credo«, wie Horst Herrmann höhnt, der das einschlägige Kapitel seines Lutherbuches treffend »Das Credo des Credits« überschrieb. 2
    Die für den Ablaß verlangte Leistung konnte zwar geistlicher Art sein, lief aber immer mehr auf materielle Zuwendungen hinaus. Der Klerus spendete die Gnade, der Gläubige das Geld.
    Die Päpste förderten sogar Kreditgesellschaften durch Ablässe, natürlich die eigenen, die »Montes pietatis«, und da die Beschaffung des Betriebskapitals anfangs schwierig war, regten sie durch Verheißung von Ablässen zu »milden Spenden« an: Pius II., Sixtus IV., Innozenz VIII., Alexander VI., Julius II., Leo X. Besonders unter Sixtus und Leo vermehrten sich die Ablaßgnaden ungeheuer, und ganz offensichtlich infolge chronischen Geldmangels. 3

Ablässe für Lebende und Tote

    Kam es so auch zu den verschiedensten Transaktionen zwischen Vatikan und Fugger, wurde die breite Öffentlichkeit doch am meisten durch den Ablaßhandel mißbraucht.
    Dabei wußte man auch die Ärmsten, die besitz-und beinah geldlosen Massen zu gängeln und wenigstens ihre Arbeitskraft zu kapitalisieren, etwa bei der Errichtung von Kirchen,

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