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Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
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höchstwahrscheinlich bloß noch kurze Lebenszeit verriet. Leos Fistelleiden galt manchen als Folge eines unsittlichen Lebenswandels, andrerseits sollte seine Haupttugend die Keuschheit sein. Vielleicht sein populärstes Diktum aber, kurz nach der Wahl geäußert: »Laßt uns das Papsttum genießen, da Gott es uns verliehen hat«. Die andere Version: »Jetzt triumphieren Wir«, kann ebenso authentisch oder unauthentisch sein; se non è vero, è ben trovato.
    Nicht von ungefähr hat man die Ära des glanzvollsten und bis heute von Ästheten vielbewunderten Renaissancehierarchen das Goldene Zeitalter genannt. Eine sorgfältige Erziehung durch hervorragende Humanisten konnte seiner heiteren Natur nicht schaden. Leutselig und Spaße liebend, wich er Unerquicklichem am liebsten aus, lachte gern und vergnügte sich durch die Jahre, überaus kostspielig zwar, doch einigermaßen kultiviert. Es war weniger der protzige Vulgarismus der Borgia, weniger die pompöse spanische als die feinere Florentiner Art, die freilich auch rohe, ordinäre Exzesse zuließ, überdies nicht billiger kam, im Gegenteil. 39
    Der Medicipapst, korpulent, nahezu klotzig, im massigen Gesicht gedunsen wirkend, feist, dazu ungemein kurzsichtig (weshalb er Besucher gern mit einem Vergrößerungsglas fixierte), hatte nichts Anziehendes, doch auch nichts von einem Fanatiker an sich. Er glich, wie man einmal sehr allgemein und anschaulich zugleich schrieb, durchaus den widerlichen Prälatenfiguren, wie sie zu Hunderten herumliefen, und war, sieht man von seiner notorischen, durch die Herkunft bedingten, durch das Ambiente geförderten unersättlichen Vergnügungssucht ab, schlicht gesagt faul. Heiligkeit erhob sich spät, hörte dann, heißt es, täglich die Messe, gewährte huldvoll Audienz, nahm eine Mahlzeit ein, pflegte wieder der Ruhe, unterhielt sich anschließend, spielte Schach, Karten, ritt durch die vatikanischen Gärten oder zum Tieremetzeln.
    Der Jagd, jedem Priester kanonisch verboten, überdies einmal von ihm selbst den portugiesischen Geistlichen auf Veranlassung ihres Königs als unklerikal untersagt, galt seine ganze Passion. Nur neun Kilometer von Rom lag sein Lieblingsjagdschloß Magliana, das er noch kurz vor seinem Tod vergrößern und verschönern ließ, wollte er doch auch als Jäger repräsentieren. So befahl er dem Vogt einer päpstlichen Villa: »Du mußt sicherstellen, daß es ein gutes Essen mit viel Fisch für mich gibt, da mir sehr viel daran liegt, vor den Gelehrten und anderen, die mich begleiten werden, Pracht zu entfalten.« Der Beize frönte er gern bei Viterbo, dem Angeln am Bolsener See. Es gab bevorzugte Gehege für das Wildschwein- oder Rotwildtöten.
    Im Herbst verbrachte er fast den gesamten Oktober jagend, nach Auskunft des päpstlichen Oberzeremonienmeisters Paris de Grassis aber auch zwei Monate, drei. Vor allem beim Vogelmord ergötzte es ihn, stundenlang zuzusehn, wie abgerichtete Greifvögel Wachteln, Rebhühner, Fasane zu Tode würgten. Man schoß auch Hasen, Eber, Rehwild. Und sicher ein Höhepunkt des edlen Weidwerks war's, hetzte man bei Santa Marinella, nahe Civitavecchia, in einer förmlichen »Wildfalle« die Hirsche ins Meer, wo sie dann auf Barken lauernde Edelmänner beziehungsweise Pfaffen bequem abknallen konnten. Manchmal stach Heiligkeit auch mit einem Spieß im Netz gefangene Hirsche ab. (Wie eng kohärierten doch auch Weidmannsheil und Heilsgeschichte. Vgl. V 584 f!)
    Der Papst scheute keine Kosten für seinen blutrünstigen Sport. Und jagte er gewöhnlich auch nur mit einem Gefolge von einigen hundert Begleitern, Kardinälen, Dienern, Musikern, Literaten, Hofnarren, Possenreißern (buffoni), etwa 160 Leibwächtern dazu, gab es doch auch Jagden mit tausend und zweitausend Reitern. 40

Nepotismus und Schulden wie Sand am Meer

    Da der prachtliebende Pontifex auch bei Festen nicht knauserte, sein Palast vielmehr häufig zum Schauplatz einer gleißenden Theaterszenerie, eines fortgesetzten Festivals geworden schien, waren die Ausgaben Leos X., eines wahren Naturtalents im Geldverschleudern, ungeheuer. Allein die Zeremonie des Sacro Possesso, ein einziges Fest bei der Amtseinführung, ließ er sich 100000 Dukaten kosten, ein Siebtel der in neun Jahren angehäuften Rücklage Julius' II. Und in nur zwei Jahren hatte er dessen gesamten Schatz restlos verbraucht – in einer Stadt, deren öffentliche Armut so zum Himmel schrie wie ihr privater Luxus. 41
    Nicht nur kirchennahe Historiker priesen und

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