Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert
– Luthers »verkorter Dolmatschung«, wie 1527 der katholische Herzog Georg von Sachsen sagt. 20
Erst recht nicht erörtert wird hier (wie überhaupt) Luthers Theologie, die bekanntlich mit seiner Angst beginnt, Gott nicht genugzutun, mit seiner qualvollen, schon pathologisch anmutenden Suche nach einem gnädigen Gott, mit dem Problem beginnt, wie er als Sünder vor Gottes Gericht gerecht erscheinen könne. Selbst wenn uns die Begriffe »Sünder«, »Gott«, »Gericht« (oder die Formeln »sola fide«, »sola gratia«, »solus Christus«) in solchem Zusammenhang (und überhaupt) etwas zu sagen hätten, sie gehören nicht in unseren Themenkreis, es sei denn zu der Demonstration, daß da mit lauter Unbekannten operiert, daß der Welt und ihm selbst, dem abgrundtief in seinen Sündenwahn Verstricktem, vom Teufel oft Besuchtem, ein X für in U vorgemacht werde, was aber nicht zu demonstrieren ist – für viele indes seine »größte und bleibende Leistung« (Tannenberg!).
Natürlich kümmert uns auch nicht Luthers »berühmte« 1523 in seiner Schrift »Von weltlicher Obrigkeit« dargelegte Zweireichelehre, ein ebenso alter wie plumper Theologenkunstgriff (fast zu plump, um ihn noch so zu nennen), sein strenges Differenzieren zwischen geistlichem und weltlichem Regiment, »Divina und Politica«, aber auch zwischen andren Beziehungszusammenhängen des Christen, die jedoch alle unlösbar verbunden, aufeinander zugeordnet sind. Solche dualistische Konfrontationen gibt es mutatis mutandis bereits im Alten Testament, bei Paulus, Augustinus, die mittelalterliche Zweischwerterlehre gehört hierher. Und diese Unterscheidung, die keine Scheidung ist, besteht auch zwischen den Bereichen des »homo interior« und »exterior«. Sie ist bei Augustinus ebenso wie bei Luther »scharf und unbedingt, aber zugleich unsichtbar und nie zu fixieren« (H. Bornkamm), also einfach wunderbar für Theologen, darin ganz wie's der Zweck erheischt herumzuschwimmen, ein ideales Terrain, das man, da äußerst variabel, situativ auslegen kann, stets nach dem Opportunitätsbedarf. Unter den Faschisten, als der Begriff Zweireichetheorie nicht zufällig eine Konjunktur erfuhr, lehnten deutsche Lutheraner mit ihr den Widerstand gegen Hitler ab, norwegische und dänische Christen begründeten ihn damit. In den USA verteidigte man mit Hilfe der Zweireichelehre ebenso die Sklaverei wie den Freiheitskampf der black community. 21
Das, was uns interessiert, ist allein der kriminelle, das heißt ohne jeden Abstrich der hervorstechende, der Haupt-Aspekt im blutigen Wust der Geschichte. Und dabei konzentrieren wir uns auf vier Kernpunkte, auf Luthers agitatorisch-demagogische Verteufelung der Bauern, der »Ketzer«, der Hexen, der Juden. Jeder Vorgang ist gleich grauenhaft, gleich abscheulich, vielleicht der fatalste aber, weil historisch folgenreichste, die Niederschlagung der Ärmsten.
12. Kapitel
Man nennt es Reformation
Die Heiligenlegenden entlarvte Luther als Märchen. An den Bibellegenden hielt er fest; am Teufelsglauben auch; am Hexenwahn auch; an der Ketzervertilgung auch; am Antisemitismus auch, am Kriegsdienst, an der Leibeigenschaft, den Fürsten. Man nennt es: Reformation. 1
Der Reformator läßt die Bauern schlachten oder »Anzaigung zwayer falschen Zungen des Luthers«
Die Kirche stand seit den frühen christlichen Sozialaufständen in der ausgehenden Antike stets auf Seite der Unterdrücker gegen die große Mehrheit der Menschen, die Bauern. Sie haben im christlichen Abendland, das sie erst zu Hörigen, dann zu Leibeigenen macht, eine Rechtsnatur fast wie Vieh, sie können vererbt, verschenkt, verkauft, getauscht, können jämmerlich geschunden, aufs äußerste geschröpft werden, sie müssen lebenslang
um Gottes Willen
gehorchen. Um 1300 schmeckt dem Hochmeister des Deutschritterordens Siegfried von Feuchtwangen, wie er sagt, kein Bissen, habe er zuvor nicht ein paar Bauern hängen lassen.
Durch das ganze Mittelalter kommt es so zunehmend zu den mannigfachsten Formen des Protests, des Widerstandes der Unterjochten gegen ihre weltlichen und geistlichen Grundherren, zu passiver Resistenz, zu Verweigerung von Diensten und Abgaben, zu Abwanderung, Flucht, zu Unruhen, Erhebungen, kommt es, je weiter das Mittelalter vorrückt, in Norwegen, Dänemark, England, der Normandie, in Flandern, Ungarn, der Schweiz zu Aufständen, zu Bauernrebellionen (Vgl. 3. Kap.).
Allein auf deutscher Seite – wo seinerzeit, teils persönlich frei, teils unfrei
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