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Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert

Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert

Titel: Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karlheinz Deschner
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Artikel. Man suchte den Konflikt noch auf dem Verhandlungs-, dem Rechtsweg zu bewältigen, schloß viele Verträge, u.a. mit dem Erzstift Mainz, Abkommen, die nicht immer ernst gemeint waren, zumal der Adel auch auf Zeitgewinnung spekulierte und andererseits die Bauern nicht auf jedes Angebot eingingen. Doch brachten sie ihre rechtlichen, sozialen, kirchlichen Wünsche »auf einen im ganzen maßvollen und diskutablen Nenner. Es ging ihnen wesentlich darum, in rechtlich gesicherter politischer Freiheit unter landesherrlicher Obergewalt zu leben« (Handbuch der Europäischen Geschichte).
    Zunächst sah es im übrigen auch nicht so übel für sie aus. Sie waren zwar deutlich weniger gut geführt, nicht kriegserfahren, strategisch schwach, die einzelnen Haufen aber militärisch oft ordentlich organisiert, zumindest teilweise zufriedenstellend gerüstet, und zweifellos in der Überzahl. Auch standen ländliche Arbeiter, Bergknappen, Handwerker, Teile der städtischen Unterschichten zu ihnen. Erwiesen sich ja sogar mehrere Fürsten als einsichtig, verhandlungsbereit und zögerten lange, ihre Vereinbarungen zu brechen. 6
    Auch Luther, der das Elend vieler Bauern, ihre Überlastung, den Steuerdruck, die Beamtenwillkür, nicht nur kannte, sondern das Berechtigte ihres Protests auch anzuerkennen schien, greift zunächst in seiner Schrift »Ermahnung zum Frieden auf die Zwölf Artikel der Bauernschaft in Schwaben« alle Ausbeuter, die so »schätzen und schinden«, »die leute so vntreglich beschweren« massiv an. »Erstlich mügen wyr niemand auff erden dancken solchs vnradts und auffruhrs / denn euch Fürsten vnd Herrn / sonderlich euch blinden Bisschoffen vnd tollen Pfaffen vnd München / die yhr noch heuttigs tages verstockt / nicht auffhöret zu toben vnd wüten wider das heylige Euangelion.«
    Zwar meinen sie, schreibt Luther, noch fest im Sattel zu sitzen, doch könne und wolle er ihre Wüterei nicht dulden, müssen sie anders werden, müssen sie dem Wort Gottes entweder freundlich oder gewaltsam weichen, entweder durch diese oder andere Bauern. »Und ob yhr sie alle schlügt / so sind sie noch vngeschlagen / Gott wird andere erwecken.« Und überhaupt: »Es sind nicht die bawren / lieben herrn / die sich widder euch setzen / Gott ists selber / der setzt sich widder euch / heymzusuchen ewer wueterey.«
    Luther findet auch »etliche« der Zwölf Artikel der Bauern »billich vnd recht«. Und die anderen Artikel, gesteht er, »sind ja auch billich vnd recht«. Daß freilich die Bauern, seine »lieben herren vnd brüder«, seine »lieben freunde«, zwar den großen Zehnt weiter entrichten wollen, nicht aber den kleinen, heißt er »eytel raub vnd öffentliche Strauch dieberey«. Erst recht verwirft er den Kampf der Geknechteten wider die Leibeigenschaft, die aber gerade an der Spitze aller bäuerlichen Gravamina stand – betrafen doch von 54 ausgewerteten Beschwerdeschriften mit zusammen 550 Einzelpunkten 90 Prozent die Leibeigenschaft (83 Prozent die Grundherrschaft, 67 Prozent die Gerichtsherrschaft), wobei die Bauern eben meinten, Christus habe alle Menschen befreit. Das freilich will der Reformator schon gar nicht hören, heiße es ja »Christliche freyheyt gantz fleyschlich machen.« Und auch eine schlechte Obrigkeit, lehrt Luther, sei kein Freibrief für »rotterey noch auffruhr«. Vielmehr sei es Sache der Obrigkeit, wie es nicht eben logisch, wie es theologisch heißt, »die bosheyt zu straffen«, müsse jede Seele ihr »vnterthan seyn /mit furcht und ehren«. Jeder Christ habe nicht zu rechten und zu fechten, »sondern vnrecht zu leyden vnd das vbel zu dulden«. Ja, er schimpft die Bauern dreist viel größere Räuber als ihre Gebieter. Denn »Die oberkeyt nympt euch vnbillich ewer gut / das ist eyn stuck. Widderumb nemet yhr der selben yhre gewallt / darynne alle yhr gut / leyb vnd leben stehet /drumb seyt yhr viel grösser reuber denn sie / vnd habts erger für / denn sie gethan haben.« 7
    Bekam Luther Angst? Drohte sein evangelisch-reformatorischer Protest in andere, rein weltliche, rein machtpolitische Bahnen zu entgleiten? Drohte die religiöse in eine soziale Empörung, die Reformation in Revolution umzuschlagen? Und war er, Luther, vielleicht selbst in den Aufruhr verstrickt? Ursächlich verstrickt? Zugespitzt formuliert Winfried Schulze in seiner Deutschen Geschichte im 16. Jahrhundert, »daß ohne die reformatorische Verkündigung des Evangeliums kein Bauernkrieg möglich gewesen wäre«.
    Das mag sein

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