Kriminalgeschichte des Christentums Band 08 - Das 15 und 16 Jahrhundert
als Schröpferei »der ainfeltigen leut«. Und munkelte oder wußte weithin, die bei der Firma aufgehäuften Gelder dienten ganz anderen Zwecken, als viele Spender noch glaubten.
Da gab es beispielsweise den anno 1506 mit hohen »Gnadengaben« dotierten Ablaß zum Neubau der Basilika des Apostelfürsten Petrus in Rom. Er befreite Lebende wie Tote, die in der Beichte ihre Sündenschuld getilgt, von allen zeitlichen Sündenstrafen, von Bußleistungen, vom Fegfeuer. Päpstlicher Ablaßverwalter aber wurde, und zwar auf eigenen Wunsch, in seinen Kirchenprovinzen und darüber hinaus Kurfürst Albrecht von Mainz, zugleich Erzbischof von Mainz, von Magdeburg, Administrator von Halberstadt. Seine hohen Kirchenwürden hatte er in Rom erworben und deshalb bei den Fuggern 30000 Dukaten Schulden. Also verschrieb er der Augsburger Gesellschaft – die Hälfte des eingehenden Ablaßgeldes, der »heiligen Ware«. 15
Was seinerzeit Deutschland am Papsttum wohl am meisten skandalisierte, war die Ablaßpraxis. So überrascht es kaum, daß sich damit Luther – der dann diese ganze Ausbeutung, die römische Gier nach Geld, als »Fuggerei« brandmarkt – besonders befaßt. Er kritisierte sie seit 1516, traf so aber auch die Wittenberger Ablaßsammlung, die kursächsischen Reliquienschätze seines Landesherrn, bei dem er derart »schlechte Gnade verdienet«, weshalb er seine öffentliche Kritik bemerkenswerterweise auch einstellt. Und als er sie wiederaufnahm, verstand er es, nur die Lehre der »brandenburgischen« Ablaßprediger theologisch zu disqualifizieren und jede Kollision mit der Ablaßpolitik seines Landesherren zunächst zu vermeiden, so daß bereits Zeitgenossen Friedrich den Weisen als Inspirator der Ablaßthesen vermuteten. Am 31. Oktober 1517 jedenfalls schickte Luther die 95 Thesen über die Kraft der Ablässe an seinen Ordinarius, den Bischof von Brandenburg sowie an seinen Metropoliten, den Erzbischof Albrecht von Magdeburg/Mainz. Und gegen die Fugger, die sich im ausbrechenden Religionsstreit für Kaiser und Katholizismus entschieden, trat Luther, der ein arbeitsloses Einkommen verwarf, dann in mehreren Schriften nachdrücklich au f. 16
Die Ablassthesen
Vom »sehr guten Papst« zur »Papstsau«
Zunächst hatte freilich auch Luther die Berechtigung des Ablasses öffentlich anerkannt und nur gegen seine Veräußerlichung, gegen den Mißbrauch immer entschiedener seit 1516/1517 Stellung genommen. In den 95 Thesen nun, Disputationsthesen, in denen sich eine ausgesprochen ambivalente Haltung Luthers, eine Zwitterstellung gegenüber dem Papsttum abzeichnet, geht er jedoch gelegentlich über die bisherige Ablaßlehre deutlich hinaus, verneint er ihre Gültigkeit vor Gott, bestreitet, »daß durch die Ablässe des Papstes der Mensch von jeder Strafe frei und los werde« (per pape indulgentias hominem ab omni pena solui et saluari). Statt dessen erklärt er, ein Großteil des Volkes werde zwangsläufig getäuscht »durch jenes in Bausch und Bogen großsprecherisch gegebene Versprechen des Straferlasses« und lehrt seinerseits: »36. Jeder Christ, der wirklich bereut, hat Anspruch auf völligen Erlaß von Strafe und Schuld, auch ohne Ablaßbrief« (habet remissionem plenariam a pena et culpa, etiam sine literis veniarum sibi debitam).
Luther attackiert jedoch viel mehr die Ablaßverkünder, »diese freche Ablaßpredigt«, als Leo X., den er einmal sogar »einen sehr guten Papst« nennt, »dessen Integrität und Gelehrsamkeit alle guten Ohren entzückt«. Gewiß ereifert er sich: »Warum baut der Papst, der heute reicher ist als der reichste Crassus, nicht wenigstens die eine Kirche St. Peter lieber von seinem eigenen Geld als dem der armen Gläubigen?« Doch schreibt er auch: »Wenn der Papst die Erpressungsmethoden der Ablaßprediger wüßte, sähe er lieber die Peterskirche in Asche sinken, als daß sie mit Haut, Fleisch und Knochen seiner Schafe erbaut würde.« Oder: »Wenn daher der Ablaß dem Geiste und der Auffassung des Papstes gemäß gepredigt würde, lösten sich diese (Einwände) alle ohne weiteres auf, ja es gäbe sie überhaupt nicht« (facile illa omnia soluerentur, immo non essent).
Luther stand dem Papsttum in seinen Frühschriften, Vereinzeltes ausgenommen, durchaus positiv gegenüber, und er bezeugt noch 1545, vor dem Ablaßstreit »ein geradezu fanatischer Mönch und ganz unsinniger Papist« gewesen zu sein, ein Mann der, wie er 1538 gesteht, vom Namen des Papstes mächtig fasziniert war und ihn als
Weitere Kostenlose Bücher